Maskenfabrik Müller

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Maskenfabrik Müller Spezialfabrik für feine Wachsmasken und Dominomasken Der Ursprung: Der Ursprung der Maskenfabrik Müller liegt eigentlich im Erzgebirge. Im Jahre 1898 verlegte ein Fabrikant von Fasnachtsmasken seine Produktion aus dem Erzgebirge in die Schweiz. 1910 übersiedelt die Firma nach St. Gallen. Am 8. Oktober 1920 ernennt der damalige Besitzer, Tapezierer Robert Schupp seinen Sohn Josef Schupp zu seinem Prokuristen und zieht mit seiner Maskenfabrikation nach Speicher in das Fabrikationsgebäude der ehemaligen Bobinerie (Spulerei) Jakob Sprenger im Oberen Bendlehn 28. Erst am 16. Mai 1925 findet sich ein Handelsregistereintrag im Kanton Ausserrhoden, aus welchem hervorgeht, dass sich der Firmensitz neu in Speicher befindet. Friedrich Müller kauft Maskenfabrik: Am 11. Juni 1927 kauft Friedrich Müller den Gebäudekomplex der Maskenfabrik (Fabrikanten-, Kutscherhaus und Fabrik) an der Kreuzgasse und lässt sie im Handelsregister als Firma Friedrich Müller eintragen. Die Firma stellt weiterhin die originalen Wachs- und Fasnachtsmasken her. Die verschiedenen Gebäude existieren noch heute und tragen die Hausnummern „Oberer Bendlehn Nr.28, Nr. 30 und Nr. 32“.

Der 1902 geborene Friedrich Müller, ein Kaufmann aus Gersau am Vierwaldstättersee, war nach der Lehrzeit ausgewandert, um in der „Fremde“ nicht nur Arbeit, sondern auch seine Selbständigkeit zu finden. In Speicher lernte er die aus Lachen SZ stammende Rosa Diethelm kennen und heiratet sie 1936. Mit der Heirat kommen zwei Menschen aus Ortschaften mit grosser Fasnachtstradition zusammen. Das war natürlich förderlich für die Entwicklung der bald schweizweit bekannten und berühmten „Maskenfabrik Müller“. Schon bald arbeiten hier rund 50 Arbeiter und Arbeiterinnen, welche zum Teil in Heimarbeit beschäftigt sind. Im Sommer I948 wurden die technischen Einrichtungen vollständig ersetzt, so dass die Leistungsfähigkeit der Fabrik eine nochmalige bedeutende Steigerung erfuhr, um auf die immer grösser werdenden Bestellungen der Kundschaft reagieren zu können. Hunderttausende von originellen Qualitätsmasken verliessen jährlich den Betrieb in alle Richtungen der Schweiz und ins Ausland. Während des 2. Weltkrieges fiel der Export komplett in sich zusammen und konnte anschliessend nur mühsam wieder angekurbelt werden.

Der Patron stirbt:

1951 stirbt Friedrich Müller im Alter von nur 49 Jahren ganz überraschend an einem Schlaganfall. Zusammen mit seinem Sohn wollte er nach Basel an die Mustermesse reisen. Die Reise mit der Bahn war aber nur von kurzer Dauer, denn bereits zwischen Bendlehn und Speicher ereilte ihn das traurige Schicksal. Als Vorstandsmitglied des Feld- und Vögelinsegg-Schützenverbandes sowie der Männerriege, wo er vor allem Faustball spielte, war er dem Dorfleben sehr verbunden. Das mag auch der Grund gewesen sein, dass die Trogenerbahn ihn 1950 zum Verwaltungsrat gewählt hatte.

Rosa Müller führt das Geschäft: Nach seinem plötzlichen Hinscheiden führte Rosa Müller ihr gemeinsam aufgebautes Lebenswerk während 23 Jahren weiter. Sie bereist und beliefert als Geschäftsfrau fast in der ganzen Schweiz Papeterien, Spielwarengeschäfte, Coiffeure, Warenhäuser und Grossverteiler mit „Müller-Masken“. Das Tessin blieb aber stets aussen vor. Rosa Müller reiste auch jedes Jahr an die Fachmesse in Nürnberg, wo sie Perücken, Nasen, Bärte, Schnäuze, Neckwädel, usw., also Zubehör für ihr Geschäft einkaufte. Auf diese Geschäftsreisen durfte während der Ferienzeit auch ihre Tochter Pia Müller mit. Sie erinnert sich daran, dass sie in Genf im Hotel gewohnt hätten, wo sie zum Frühstück „cafe complett“ bestellen konnten. Das waren zu jener Zeit fast unvergesslich schöne Jungenderinnerungen. Auch die Reise nach Nürnberg an die Spielwarenmesse ist geprägt von den Eindrücken, welche ihr die Firma „Steiff“ mit ihren „Knopf im Ohr Felltieren“ hinterlassen hatte. Wie sich die Kindheit in so einer Maskenfabrik angefühlt hat, erzählt Pia Müller hier: Video „Wachshände“ Um mit den Anforderungen der Zeit mitzugehen, erbaut Rosa Müller einen Bürotrakt zwischen Kutscherhaus und Fabrikgebäude. Hier kann sie nun ihre Geschäfte abwickeln und muss nicht wie vorher im kühlen Erdgeschoss des Fabrikantenhauses arbeiten.

Was wurde in Speicher überhaupt hergestellt: Die Maskenfabrik Friedrich Müller in Speicher war zu jener Zeit der besteingerichtete und leistungsfähigste Betrieb dieser Branche in der Schweiz. Es wurden nur erstklassige Qualitätswaren wie Domino-. Wachs- und Gazemasken sowie andere Karnevalsartikel hergestellt. Als Kundschaft zählten die bedeutendsten Häuser in der ganzen Schweiz. Pia Müller erinnert sich an die Maskenherstellung: Video „Maskenherstellung“ Die Ideen für neue Masken- oder Larventypen kamen meist von Maskengestaltern aus Basel und Lachen SZ. In der Regel wurden jährlich 10 bis 15 Vorschläge entwickelt. Daraus wurden jeweils fünf bis sechs neue Modelle realisiert. Dazu wurden Mutterformen (Models) aus Gips hergestellt und gebrannt. Pro Maske wurden so 8-10 Mutterformen benötigt, um die notwendige Menge produzieren zu können. Arbeiterinnen, meist aus Italien waren in der Produktion über das ganze Jahr hinweg beschäftigt. Sie mussten die Models mit in einer kleisterähnlichen Klebepappe getauchten Stoff-Stücken belegen und in die Form bringen. Danach wurden die Models auf Heizungsrohre gestellt, damit die Roh-Masken trocknen konnten. Anschliessend wurde der überschüssige Stoff abgeschnitten. Heimarbeiterinnen, meist einheimische Hausfrauen, waren für die Bemalung der Masken zuständig. Ihnen wurde mit den fertigen Rohmasken meist eine fertige Mustermaske mitgeliefert, damit sie genau nach Vorlage bemalt werden konnten. Anschliessend wurden die Masken in heisses Wachs getaucht, darum der Name Wachsmaske. Im gesamten existierten über 600 verschiedene Models (Gesichtsformen), aus denen Wachsmasken, Swiss-Star-Masken, und Draht-Larven aller Art hergestellt wurden: Wachsmasken: • Traditionsmasken der Innerschweiz • Waggis und der «Ueli» (Vogel Gryff) für Basel • Clowns • Max und Moritz • Bauern • Hexen • Zwerge • Indianer • Schwarze (Neger) • Tierköpfe • eine Vielfalt an Frauengestalten

Spezialitäten-Masken: • Swiss-Star-Masken, eine 60er-Jahren entwickelte luftdurchlässige Larve • Bemalte Drahtlarven für die Röllibutzen in Altstätten • Masken für Silvesterchläuse • Urner und Schwyzer Original-Wachsmasken: Amsteger Drapoling , Gersauer Rölli, Rothenthurmer Tiroler , Einsiedler Höreli-Bajass • ferner alle Originalfiguren der «Nüssler» aus Schwyz, Steinen, Sattel und teils Brunnen: Blätz, Domino, Bajass, Alter Herr, Hudi, Zigeunerin. Dazu kamen die sehr beliebten „Domino-Masken“, also Halbmasken mit oder ohne Fransen und Behang. Diese Larven wurden einst massenweise produziert, denn gegen 40‘000 Masken im Jahr verliessen die Fabrik.

Nachfolge in der Familie geplant: Für Rosa Müller war immer klar, dass ihr Sohn Dionys dereinst die Fabrik weiterführen würde. Leider stirbt auch Dionys 1972 überraschend und viel zu früh mit 35 Jahren. Ein harter Schlag für die Familie und speziell für Rosa Müller, welche nun in der Nachfolge andere Wege prüfen musste. Verkauf und Wegzug der Maskenfabrik: 1974 verkauft Rosa Müller „ihre“ «Maskenfabrik Müller» an die Schappespinnerei Camenzind & Co. in Gersau, wo sie durch ihren verstorbenen Gatten viele persönliche Beziehungen hat. Obwohl Rosa Müller über drei Monate lang in Gersau mithilft und Instruktionen erteilt, ist der neue Inhaber total überfordert mit dem Geschäft der Fasnachtsmasken.

1982 übernimmt der Luzerner Thomas Steiger, der bereits einige Jahre in der Fabrik angestellt war, zusammen mit seiner Frau die Maskenfabrik. 1988 erfolgte der Umzug nach Steinen, wo seit 1992 Verena Steiger das „Maskenatelier“ in eigener Regie führt und so auch heute noch nach fast hundert Jahren immer noch „Müller“-Masken hergestellt werden. Die nächste Generation ist in der Person von Susan Steiger bereits aktiv in der Maskenproduktion tätig. Die Patronin stirbt: Im Jahre 2003 stirbt Rosa Müller im Alter von 94 Jahren im Haus am Oberen Bendlehn 32.