Bearbeiten von «Schulsituation im Jahr 1799»

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[[Datei:Stapfer.png|mini|Philipp Albert Stapfer]]Die [https://stapferenquete.ch/sites/default/files/publikationen/Horizonte.pdf Stapfer-Enquête von 1799] ist eine Umfrage zum "Niederen Schulwesen" in der Helvetischen Republik (1798 - 1803) im Auftrag des Erziehungsministers Philipp Albert Stapfer (1766-1840). Sie wandte sich mittels eines standardisierten Fragebogens direkt an die Lehrpersonen.  
Die Stapfer-Enquête von 1799 ist eine Umfrage zum "Niederen Schulwesen" in der Helvetischen Republik (1798 - 1803) im Auftrag des Erziehungsministers Philipp Albert Stapfer (1766-1840). Sie wandte sich mittels eines standardisierten Fragebogens direkt an die Lehrpersonen.  


Der Fragebogen bestand aus den vier Teilen: Lokalverhältnisse, Unterricht, Personalverhältnisse und ökonomische Verhältnisse der Lehrpersonen. Insgesamt enthält der Fragebogen rund 50 Fragen.
Der Fragebogen bestand aus den vier Teilen: Lokalverhältnisse, Unterricht, Personalverhältnisse und ökonomische Verhältnisse der Lehrpersonen. Insgesamt enthält der Fragebogen rund 50 Fragen.
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=== Die Antwortbögen aus Speicher ===
=== Die Antwortbögen aus Speicher ===
Die handschriftlichen Antwortbögen der Lehrer von rund 2500 Schulen sind zwischen 2009 und 2015 transkribiert worden, unter ihnen auch diejenigen von Speicher. Für die Schule im Dorf im Schulhaus im Moos (heute Haus Buchenstrasse 6) Speicher antwortete Lehrer Hans Ulrich Rüsch, für die Schule Speicherschwendi (erstes Schulhaus, heute Achmühlestrasse 3) Johann Ulrich Krüsi. Die teilweise fast wörtlich gleichen Antworten auf die [https://www.stapferenquete.ch/db/transkriptions/view/1237 rund 50 Teilfragen] lassen darauf schliessen, dass die beiden den Fragebogen gemeinsam beantworteten.<br>
Die handschriftlichen Antwortbögen der Lehrer von rund 2500 Schulen sind zwischen 2009 und 2015 transkribiert worden, unter ihnen auch diejenigen von Speicher. Für die Schule im Dorf im Schulhaus im Moos (heute Haus Buchenstrasse 6) Speicher antwortete Lehrer Hans Ulrich Rüsch, für die Schule Speicherschwendi (erstes Schulhaus, heute Achmühlestrasse 3) Johann Ulrich Krüsi. Die teilweise fast wörtlich gleichen Antworten lassen darauf schliessen, dass die beiden den Fragebogen gemeinsam beantworteten.
Die Transkription (buchstabengetreue Abschrift) der handschriftlich verfassten Antworten zeigt, dass zu jener Zeit noch kaum Rechtschreibregeln galten: ''Schule'' neben ''Schuhle''; ''Namenbüchly'' neben ''Nammenbüchli'' usw.


==== Die Schule im Dorf 1799 ====
==== Die Schule im Dorf 1799 ====
[[Datei:Stapfer Speicher Dorf 61.jpg|mini|<small>Lehrer Rüsch Antwort Seite 1</small>]]
'''Teil 1: Lokalverhältnisse'''
'''Teil 1: Lokalverhältnisse'''
''Jm Canton Säntis, des Ditrikts Teüffen, in der Gemeind Agentschafft und Dorf Speicher, deßen Schulbezirck bereits eine Halbe Stunde auf 2. Seiten ausdehnt; da aber die Haüßer außert dem Dorf wie gesäet — zerstreüt ligen, laßt es sich nicht leicht in die Umkreiße — der Viertelstunden eintretten, im ganzen schließt der bezirck 258. Haüßer in sich, und ist ein andere Schule, im Unteren Theil der Gemeind, Schwendi genant eine Halbe Stunde entfernt.''
''Jm Canton Säntis, des Ditrikts Teüffen, in der Gemeind Agentschafft und Dorf Speicher, deßen Schulbezirck bereits eine Halbe Stunde auf 2. Seiten ausdehnt; da aber die Haüßer außert dem Dorf wie gesäet — zerstreüt ligen, laßt es sich nicht leicht in die Umkreiße — der Viertelstunden eintretten, im ganzen schließt der bezirck 258. Haüßer in sich, und ist ein andere Schule, im Unteren Theil der Gemeind, Schwendi genant eine Halbe Stunde entfernt.''
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'''Teil 4: ökonomische Verhältnisse Lehrpersonen'''
'''Teil 4: ökonomische Verhältnisse Lehrpersonen'''
''Es ist ein eigenes Schuhl Capital (deren Größe ich nicht weiß) darvon mir jährlich so viel Zins einzuziehen angewiesen wird, als ich einen Lohn, von wochentlich fl. 3. also jahrlich fl. 158. nebst fl. 4. Trinkgeld erhalte. Schuhl lohn wird keiner bezogen, darzu ist ein eigenes Schuhlhauß mit einer Stube gewidmet, deßen Unterhalt aus dem Schulgut bestritten wird, daß aber gegenwärtig baufällig ist.''
''Es ist ein eigenes Schuhl Capital (deren Größe ich nicht weiß) darvon mir jährlich so viel Zins einzuziehen angewiesen wird, als ich einen Lohn, von wochentlich fl. 3. also jahrlich fl. 158. nebst fl. 4. Trinkgeld erhalte. Schuhl lohn wird keiner bezogen, darzu ist ein eigenes Schuhlhauß mit einer Stube gewidmet, deßen Unterhalt aus dem Schulgut bestritten wird, daß aber gegenwärtig baufällig ist.''


==== Die Schule Speicherschwendi 1799 ====
==== Die Schule Speicherschwendi 1799 ====
[[Datei:Stapfer Speicherschwendi 63.jpg|mini|Lehrer Krüsi Antwort Seite 1]]
'''Teil 1: Lokalverhältnisse'''
'''Teil 1: Lokalverhältnisse'''
''Über Lokalverhältnise. der untern Schul im Speicher Jm Canton Sentis, des Districkts Teüfen, in dem Flecken Schwendj genant, zur Kirchgemeind — und Agentschafft Speicher gehörend, der Schulkreiß Dehnt sich zirckelförmig auf alle Seiten, eine Viertelstund, aus, und gehören im ganzen 69. Haüser zu dieser Schule, die eine Halbe Stund von der Schule im Dorf Speicher entfernt ist.''
''Über Lokalverhältnise. der untern Schul im Speicher Jm Canton Sentis, des Districkts Teüfen, in dem Flecken Schwendj genant, zur Kirchgemeind — und Agentschafft Speicher gehörend, der Schulkreiß Dehnt sich zirckelförmig auf alle Seiten, eine Viertelstund, aus, und gehören im ganzen 69. Haüser zu dieser Schule, die eine Halbe Stund von der Schule im Dorf Speicher entfernt ist.''
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'''Teil 4: ökonomische Verhältnisse Lehrpersonen'''
'''Teil 4: ökonomische Verhältnisse Lehrpersonen'''
''Es ist ein eigenes Schul Capital (deren Gröse ich nicht weiß) Daraus erhalt ich ein Lohn, wöchentlich 1 fl. und 30 xr: also für ein Jahr 78 fl. nebst einem Nthlr: Trinckgeld, Darbej ich aber um Verbeserung Angesucht. und Hoffnung erhalten F: Schul geld wird keins bezogen, Zum Schulhalten, ist ein eigenes Hauß (das gebrechlich ist) mit Einer Stube, gewidmet, desen Unterhalt aus dem Schulgut bestritten wird.''
''Es ist ein eigenes Schul Capital (deren Gröse ich nicht weiß) Daraus erhalt ich ein Lohn, wöchentlich 1 fl. und 30 xr: also für ein Jahr 78 fl. nebst einem Nthlr: Trinckgeld, Darbej ich aber um Verbeserung Angesucht. und Hoffnung erhalten F: Schul geld wird keins bezogen, Zum Schulhalten, ist ein eigenes Hauß (das gebrechlich ist) mit Einer Stube, gewidmet, desen Unterhalt aus dem Schulgut bestritten wird.''
[[Datei:Schulhäuser_Schwendi.JPEG|mini|links|<small>Schulhäuser Speicherschwendi von 1763 (rechts) und  1860 (1971 abgebrannt)</small>]]
[[Datei:Altes Schulhaus Speicherschwendi 2010.jpg|mini|<small>Schulhaus von 1763; Situation um 2010</small>]]


Quellenangabe
Schmidt, H.R. / Messerli, A. / Osterwalder, F. / Tröhler, D. (Hgg.), Die Stapfer-Enquête. Edition der helvetischen Schulumfrage von 1799, Bern 2015, Nr. 1236: Speicherschwendi, [].


=== Erläuterungen ===
=== Erläuterungen ===
==== Unterricht ====
==== Unterricht ====
Die Angaben zum Unterricht zeigen die (noch) enge Verflechtung von Kirche und Schule, wurden doch hauptsächlich kirchliche „Lehrmittel“ verwendet. Der [[Schulwesen_vor_1799#Unterricht|Unterricht]] besteht hauptsächlich im Auswendiglernen, Schreiben, Lesen und Singen, also „Fertigkeiten“, die im Gottesdienst zum Tragen kommen. <br>
Die Angaben zum Unterricht zeigen die (noch) enge Verflechtung von Kirche und Schule, wurden doch hauptsächlich kirchliche „Lehrmittel“ verwendet. Der Unterricht besteht hauptsächlich im Auswendiglernen, Schreiben, Lesen und Singen, also „Fertigkeiten“, die im Gottesdienst zum Tragen kommen. Die „Vorschriften“ sind eine Sammlung von religiösen und moralischen Texten, viele davon mussten die Schüler auswendig lernen, wie es ein Speicherer Schüler anschaulich beschreibt. Link: Erfahrungsbericht eines Schülers.
Die „Vorschriften“ sind eine Sammlung von religiösen und moralischen Texten, viele davon mussten die Schüler auswendig lernen, wie es ein Speicherer Schüler [[Schulwesen_vor_1799#Erfahrungsbericht_eines_Sch.C3.BClers|anschaulich beschreibt]].<br>
 
In beiden Schulen gibt es keine Klasseneinteilung.
In beiden Schulen gibt es keine Klasseneinteilung.


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Beide Lehrer beklagen sich, dass die Schulhäuser baufällig sind. (Dennoch diente das Schulhaus im Moos noch bis 1814, das Schulhaus in der Schwendi noch bis über 1860 als Schulhaus).<br>
Beide Lehrer beklagen sich, dass die Schulhäuser baufällig sind. (Dennoch diente das Schulhaus im Moos noch bis 1814, das Schulhaus in der Schwendi noch bis über 1860 als Schulhaus).<br>
Beide erwähnen keine zusätzlichen Naturaleinkünfte, wie sie teilweise üblich waren (z.B. ein Feld als Pflanzgarten oder Acker, Naturalgaben wie Schinken, Mehl etc.).<br>
Beide erwähnen keine zusätzlichen Naturaleinkünfte, wie sie teilweise üblich waren (z.B. ein Feld als Pflanzgarten oder Acker, Naturalgaben wie Schinken, Mehl etc.).<br>
Zum Vergleich: Lehrerlöhne entsprachen einem mittleren Lohnniveau. Ein Pfarrer verdiente zur gleichen Zeit das Doppelte bis Dreifache eines Lehrers.
Zum Vergleich: Ein Pfarrer verdiente zur gleichen Zeit das Doppelte bis Dreifache eines Lehrers.




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<small>Quellen:</small>
<small>Quellen:</small>
''<small>Schmidt, H.R. / Messerli, A. / Osterwalder, F. / Tröhler, D. (Hgg.), Die Stapfer-Enquête. Edition der helvetischen Schulumfrage von 1799, Bern 2015, Nr. [http://www.stapferenquete.ch/db/1236 1236] und Nr. [http://www.stapferenquete.ch/db/1237 1237] Speicher.</small>''
''<small>Schmidt, H.R. / Messerli, A. / Osterwalder, F. / Tröhler, D. (Hgg.), Die Stapfer-Enquête. Edition der helvetischen Schulumfrage von 1799, Bern 2015, Nr. [http://www.stapferenquete.ch/db/1236 1236] und Nr. [http://www.stapferenquete.ch/db/1237 1237] Speicher.</small>''
<small>''schweizerischer nationalfonds • akademien-schweiz • horizonte dezember 2012, Seite 26/27''</small>


<small>Text:</small> ''<small>Peter Abegglen, März 2021</small>''
<small>Text:</small> ''<small>Peter Abegglen, März 2021</small>''
<small>Weitere Links:</small> ''<small>[https://www.appenzelldigital.ch/stapfer-enquete/ Appenzell Digital]''</small>
[[Kategorie:Schule und Bildungswesen]]

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