Bearbeiten von «Hinter den Schiben»

Aus WikiSpeicher

Warnung: Du bist nicht angemeldet. Deine IP-Adresse wird bei Bearbeitungen öffentlich sichtbar. Melde dich an oder erstelle ein Benutzerkonto, damit Bearbeitungen deinem Benutzernamen zugeordnet werden.

Die Bearbeitung kann rückgängig gemacht werden. Bitte prüfe den Vergleich unten, um sicherzustellen, dass du dies tun möchtest, und veröffentliche dann unten deine Änderungen, um die Bearbeitung rückgängig zu machen.

Aktuelle Version Dein Text
Zeile 1: Zeile 1:
== Haus hinter der Schiben ==
== Haus hinter der Schiben ==
[[Datei:Oberdorf 8.jpg|200px|thumb|right|<small>Haus Oberdorf 8 2020</small>]]
=== Zur Geschichte des Hauses Oberdorf 8/ Ass. 71 in Speicher ===
Nachstehende Ausführungen von Staatsarchivar Dr. Peter Witschi geben Einblick in die Geschichte eines typischen ausserrhodischen Fabrikantenhauses und die soziologische Einordung seiner Eigentümer. Die Ausführungen entsprechen dem Kenntnisstand im Oktober 1998 und sind nicht auf eine Bauuntersuchung abgestützt.
Nachstehende Ausführungen von Staatsarchivar Dr. Peter Witschi geben Einblick in die Geschichte eines typischen ausserrhodischen Fabrikantenhauses und die soziologische Einordung seiner Eigentümer. Die Ausführungen entsprechen dem Kenntnisstand im Oktober 1998 und sind nicht auf eine Bauuntersuchung abgestützt
=== Das Quartier Oberdorf ===
Das um 1850 acht Häuser umfassende Oberdorf an der alten Strasse von Speicher über die Scheibe nach Teufen bildete sich ab 1700 als "Wohnquartier" aus. Nach dem Chronisten J.B. Rechsteiner soll die Gegend vor dem Kirchenbau als wenig wertvolles Moosgelände "Gemeindsboden" gewesen sein. Der Flurname verweist wohl auf einen ehemaligen Scheibenstand der Speicherer Schützengesellschaft. Einziges Gebäude in der Gegend war ein freistehender Stadel, der 1762 abgebrochen wurde.
Den ersten Schritt zur Wohnüberbauung markiert unser 1704 für Ully Kriemler erbautes Haus, zu dem eine umfangreiche landwirtschaftliche Liegenschaft, das sogenannte "Scheibenguth" gehörte. Bis 1784 kamen weitere vier Gebäude hinzu, darunter in unmittelbarer Nachbarschaft das im Kern auf das Jahr 1740 zurückgehende Bauernhaus Ass. 73.  Bauherrschaft und Werkmeister Im Zuge der jüngsten Renovation wurde im Giebelfeld nachfolgende, zuvor durch eine Verkleidung verdeckte Inschrift freigelegt: Baujahr: “1704”; Bauherrschaft: "Bauwmeister Ully Kremler - Ursula Koller. sein Ehgmal" Werkmeister: "zimer Meister Hanss HolI".
Um 1700 kommt in den Ehe- und Taufbüchern von Speicher nur ein Ehepaar Kriemler-Koller vor. Mit Datum 20. Mai 1688 wird folgende Eheschliessung vermerkt: Uli Kriemler & Ursel Koller. Von 1689 bis 1706 sind mehrere Kinder dieses Ehepaars im Taufbuch vermerkt, als letztes am 10. März 1706: Barbara, Tochter von Uli Kriemler und Ursula Kollerj. Das 1704 erbaute Haus ist demnach für die Familie von Ulrich und Ursula Kriemler-Koller erbaut worden. Zimmermeister war Hans Hohl, der 1705 auch als Erbauer des alten Schulhauses von Speicher AR genannt wird...


An schriftlichen Quellen liegen für das 18. Jahrhundert primär zwei in der Kantonsbibliothek Trogen aufbewahrte Manuskripte von Johannes Bartholome Rechsteiner vor. Beide Dokumente würdigen das Haus eingehend, nennen indessen abweichend von der Giebelinschrift das Baujahr 1710. Zum Zeitpunkt der Chronikabfassung  um 1815 dürfte die Giebelinschrift bereits durch ein Täfer verdeckt gewesen sein; sonst hätte der Chronist wohl das Baujahr entsprechend der Inschrift aufgeführt.
Die Häuserchronik Rechsteiners vermerkt zu Nr. 55 in schlecht lesbarer Handschrift und wenig systematischer Weise: ''„Zur Scheibenböchel, das ober Maas genant, 1710: Ein Hauss' mit einem gewölbten Kehr. Ully Kriemler, der Grober genannt, hörten 2 Güttlj, dazu Boden und das Hauss auch gemein; 1762 den alten Stadel, darneben das Hauss, abgebrochen. 1735: Der Grober oder Kriemler hat das ganze Guth gehabt und ist vergantet worden a 3300 fl., falliert. 1735: Hbtm. Johs. Baumgart.1740; Mr. Hs. Caspar Tobler Engelwirt. 1772: Johannes Rüschen seI. witib erkaufft 1200, die Söhne 2000. 1778: erkaufte Baschon Rechsteiner das ganze Guth a fl. 6400; Ao 1795: verkaufft a fl. 7000 mit Holz, vertheilt, dz vorder fl. 4600, hinder fl. 2400. NB. will vor Zeiten kein Hauss da gewesen, heist ein alter Stadel, daraus zu schliessen, das der Boden muss Maasboden gewessen, wo die Schüzer Mauren stehen u. auch Kirchhöre Brönnen."''
In der Hauptchronik ist auf Seite 451 zu lesen: ''"Obermaas, Ao 1710/ Nr. 55 ob dem Mas. Das erste Hauss (ist vermuthl. vor dem Kirchenbau gemeindsboden gewessen), hat Ully Kriemler, Grober genant, ein schön Hauss mit einem gewölbten Kehr gebauen, in das obere Moos genant, hinder der Scheiben (neben den alten Stadel so hemach Ao. 1759 Jahr abbrochen worden), darzu gehörte das ganze Scheibenguth. Will aber die Baukosten des Kriemlers Vermögen überstiegen, so musste das Guth Ao 1735 vergantet werden a fl. 3300. Ao 1736 erkauffte Johanes Baumgartner; Ao. 1742 hat Johs. Baumgartner das halbe Hauss verkaufft, Ao. 1750 das Haus vom Guth verkauft wider, dem Hs. Caspar Tobler a fl. 1000. Ao 1772 Johannes Rüschen Frau und Kinder, das Haus von Hs. Caspar Tobler kaufft (fl.1200); Ao 1805 Johannes Schläpfer, auss dem Rehetobel erkaufft a fl. 3322 so viel aufschlag, er sagte a fl. 3700 erkauft."''
Beide Chroniktexte stimmen im Wesentlichen überein und belegen ab 1735 mehrere Eigentümerwechsel und bezogen auf die Liegenschaft wiederholte Aufteilungen und Zusammenlegungen. Gemäss dem ältesten Pfandprotokoll wurde das Haus 1750 mit dem Übergang an Wirt H. C. Tobler vom umliegenden Landwirtschaftsgut abgetrennt. Seither umfasst die alte Parzelle Nr. 37 nur mehr "Haus mit Garten".


=== Fabrikanten und Politiker als Eigentümer ===
=== Fabrikanten und Politiker als Eigentümer ===
Zeile 20: Zeile 31:
* 1805: Johannes Schläpfer, Landestatthalter.
* 1805: Johannes Schläpfer, Landestatthalter.


Quellenmässig abgestützte Hinweise darauf, dass im Haus zeitweilig eine Wirtschaft betrieben wurde, fehlen. Weder Ulrich Kriemler, noch Johannes Baumgartner oder Sebastian Rechsteiner sind in den obrigkeitlichen Patentprotokollen als Wirte aufgeführt. Ebenfalls keinerlei Hinweise auf einen Wirtschaftsbetrieb enthalten die Assekuranzlagerbücher des 19. Jahrhunderts.
Quellenmässig abgestützte Hinweise darauf, dass im Haus zeitweilig eine Wirtschaft betrieben wurde, fehlen. Weder Ulrich Kriemler, noch Johannes Baumgartner oder Sebastian Rechsteiner sind in den obrigkeitlichen Patentprotokollen als Wirte aufgefiihrt. Ebenfalls keinerlei Hinweise auf einen Wirtschaftsbetrieb enthalten die Assekuranzlagerbücher des 19. Jahrhunderts.


Die Eigentümer des 18. und 19. Jahrhunderts sind dem mittleren Segment der dörflichen Oberschicht zuzuordnen. Als typischer Repräsentant dafür kann Landesstatthalter Johannes Schläpfer gelten. Im Hausrodel von 1818 wird sein Haus unter der alten Nummer 55 als "mittelgross" mit einem Asskuranzwert von 1800 Gulden eingestuft. Gemäss Steuerrodel von 1813 war der Landesstatthalter mit einem. Vermögenssatz von 16'000 Gulden eingeschätzt. Er gehörte damit zur mehrere Dutzend Steuerpflichtige umfassenden Gruppe der Fabrikanten. Im Vergleich dazu weit höher eingestuft waren die örtlichen Kaufleute, so Statthalter Tobler mit 80'000 Gulden. Ebenfalls auf die Lebenswelt der Fabrikanten nimmt die jüngere Ausmalung der Wohnstube im 1. Obergeschoss Bezug, die wohl zwischen 1805 und 1825 erfolgte, also vielleicht im Auftrag von Landesstatthalter Schläpfer entstanden sein könnte.
Die Eigentümer des 18. und 19. Jahrhunderts sind dem mittleren Segment der dörflichen Oberschicht zuzuordnen. Als typischer Repräsentant dafür kann Landesstatthalter Johannes Schläpfer gelten. Im Hausrodel von 1818 wird sein Haus unter der alten Nummer 55 als "mittelgross" mit einem Asskuranzwert von 1800 Gulden eingestuft. Gemäss Steuerrodel von 1813 war der Landesstatthalter mit einem. Vermögenssatz von 16'000 Gulden eingeschätzt. Er gehörte damit zur mehrere Dutzend Steuerpflichtige umfassenden Gruppe der Fabrikanten. Im Vergleich dazu weit höher eingestuft waren die örtlichen Kaufleute, so Statthalter Tobler mit 80'000 Gulden. Ebenfalls auf die Lebenswelt der Fabrikanten nimmt die jüngere Ausmalung der Wohnstube im 1. Obergeschoss Bezug, die wohl zwischen 1805 und 1825 erfolgte, also vielleicht im Auftrag von Landesstatthalter Schläpfer entstanden sein könnte.
== Wandmalereien ==
[[Datei:Hans,Vreni.jpg|300px|thumb|right|<small>Vreni und Hans Rüttimann</small>]]Das Haus Oberdorf 8 wurde 1997 von Vreni und Hans Rüttimann erworben und seither sanft in Stand gestellt. Hauptattraktion sind die Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert in der Stube im 1. Stock. Sie zeigen in idealisierender Weise die feine Art des Lebens gutbürgerlicher Schichten (im Appenzellerland waren dies „Fabrikanten“), entstanden sind die Malereien wahrscheinlich zwischen 1805 und 1825. Neben den Jahreszeiten sind auch Stadt- und Landleben einander in idealisierender Weise gegenüber gestellt. In einigen Zimmern finden sich Überreste von [[Tapeten]].
<gallery mode="slideshow">
Image:Schiben Frühling.JPG|<small>Frühling</small>
Image:Schiben Sommer.JPG|<small>Sommer</small>
Image:Schiben Herbst.JPG|<small>Herbst</small>
Image:Schiben Winter.JPG|<small>Winter</small>
Image:Schiben Alp 1.JPG|<small>Medaillon Alpenleben</small>
Image:Schiben Stadt 1.JPG|<small>Medaillon Bürgerliches Leben</small>
Image:Schiben Alp 2.JPG|<small>Ausschnitt Alpenleben</small>
Image:Schiben Stadt 3.JPG|<small>Bürgerliches Leben</small>
</gallery>
Das Innere des Hauses
Das Erdgeschoss besteht aus drei Räumen: Zwischen den Eingängen mit Vorraum liegt die ehemalige Butik (Werkraum). Im ersten Stock befinden sich eine grosse Gaststube (mit den Wandmalereien) und eine Nebenstube, sowie die Küche. In den oberen Stockwerken verschieden grosse Zimmer.
Gaststube und Keller können für kleinere Anlässe gemietet werden.
Jeden 1. Sonntag eines Monats ist die Gaststube von 14 bis 18 Uhr zur Besichtigung geöffnet.
Auskünfte: H. und V. Rüttimann, 071 877 23 81 oder h.v.ruettimann@bluewin.ch
<gallery mode=packed-hover>
Image:Entré.jpg|<small>Entree</small>
Image:Gaststube.jpg|<small>Gaststube</small>
Image:Ofen_Gaststube.jpeg|<small>Ofen in der Gaststube</small>
Image:Keller.jpg|<small>Keller (gewölbter Kehr)</small>
Image:Keller_Hinter_Schiben.jpeg|<small>Keller (gewölbter Kehr)</small>
Image:Vorkeller.jpg|<small>Vorraum Kellergeschoss</small>
Image:Stube 1.jpg|<small>Stube</small>
Image:Stube 2.jpg|<small>Stube</small>
Image:Türe_Hinter_Schiben.jpeg|<small>Zimmertüre OG2</small>
Image:Tapete_Hinter_Schiben.jpeg|<small>Tapetenreste OG2</small>
</gallery>
== Lage ==
[[Datei:Hasu h Schiben übersicht.jpg|400px|thumb|left|]]
Scheibengut mit Haus hinter den Schiben, Foto um 1950
Der Pferdestall rechts vom Haus wurde in den 60er-Jahren abgebrochen.
{{#widget:Google Maps
|maptype=satellite
|width=100%
|height=400
|lat=47.410777
|lng=9.440404
|zoom=16
|marker.haus.lat=47.410578
|marker.haus.lng=9.440404
|marker.haus.title=Oberdorf 8
|marker.haus.letter=H
|maptypecontrol=yes
|largemapcontrol=yes
|overviewmapcontrol=yes
|scalecontrol=yes
}}




[[Kategorie:Häusergeschichten]]
[[Kategorie:Häusergeschichten]]

Bitte beachte, dass alle Beiträge zu WikiSpeicher von anderen Mitwirkenden bearbeitet, geändert oder gelöscht werden können. Reiche hier keine Texte ein, falls du nicht willst, dass diese ohne Einschränkung geändert werden können.

Du bestätigst hiermit auch, dass du diese Texte selbst geschrieben hast oder diese von einer gemeinfreien Quelle kopiert hast (weitere Einzelheiten unter WikiSpeicher:Urheberrechte). ÜBERTRAGE OHNE GENEHMIGUNG KEINE URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZTEN INHALTE!

Abbrechen Bearbeitungshilfe (wird in einem neuen Fenster geöffnet)