Gasversorgung: Unterschied zwischen den Versionen

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Bereits im Jahre 1856 wurde das Gaswerk St. Gallen gegründet. Das sogenannte Leucht- oder Stadtgas wurde anfangs durch die Destillation von Holz und Torf, später durch '''''Steinkohle''''' gewonnen. Verwendet wurde das Gas anfangs ausschliesslich zur Strassenbeleuchtung in der Stadt. Im Jahre 1900 erleuchteten dort rund 1000 Gaslaternen die Strasse, Wege und Gassen. Ab Mitte der 1880er Jahre wurde das Gas zum Kochen und später auch zu Heizen verwendet.<br /><br />
Bereits im Jahre 1856 wurde das Gaswerk St. Gallen gegründet. Das sogenannte Leucht- oder Stadtgas wurde anfangs durch die Destillation von Holz und Torf, später durch '''''Steinkohle''''' gewonnen. Verwendet wurde das Gas anfangs ausschliesslich zur Strassenbeleuchtung in der Stadt. Im Jahre 1900 erleuchteten dort rund 1000 Gaslaternen die Strasse, Wege und Gassen. Ab Mitte der 1880er Jahre wurde das Gas zum Kochen und später auch zu Heizen verwendet.<br /><br />


[[Datei:Gasproduktion mit Steinkohle.JPG|Gasproduktionsanlage um 1800 ]]
[[Datei:Gasproduktion mit Steinkohle.JPG|1000px|thumb|left|Gasproduktionsanlage um 1900 ]]
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Der steigende Verbrauch bewog das Gaswerk St. Gallen, 1903 im Rietli Goldach ein neues Gaswerk zu erstellen. Dadurch konnte man die Brandgefahr und gleichzeitig die starke Luftverschmutzung in der Stadt reduzieren. Durch die Erweiterung der Produktion konnte man nun zusätzliche Bezüger ans Gasnetz nehmen.<br />
Der steigende Verbrauch bewog das Gaswerk St. Gallen, 1903 im Rietli Goldach ein neues Gaswerk zu erstellen. Dadurch konnte man die Brandgefahr und gleichzeitig die starke Luftverschmutzung in der Stadt reduzieren. Durch die Erweiterung der Produktion konnte man nun zusätzliche Bezüger ans Gasnetz nehmen.<br />


'''Speicher am Gasnetz'''<br />
'''Speicher am Gasnetz'''<br />
Im Jahre 1913 erteilte Speicher dem '''Gaswerk St. Gallen''' die Konzession zur Lieferung von Stadtgas.<br />
Im Jahre 1913 erteilte Speicher dem '''Gaswerk St. Gallen''' eine 20-jährige Konzession zur Lieferung von Stadtgas. Nach Ablauf wurde die Konzession stillschweigend um jeweils 5 weitere Jahre verlängert.<br />
Eine Gussleitung transportierte das Gas von Goldach nach St. Gallen, und von dort weiter nach bis Speicher zu den Verbrauchern. Das Gas wurde in Speicher '''hauptsächlich zum Kochen verwendet''', vereinzelt aber auch zum Heizen und zur Warmwasseraufbereitung.<br />
Eine Gussleitung transportierte das Gas von Goldach nach St. Gallen, und von dort weiter nach bis Speicher zu den Verbrauchern.<br />
   
   
'''''Im Jahre 1973, also 60 Jahre nach den Gaslieferungsbeschluss, waren von den rund 1300 Haushaltungen in Speicher 419 Häuser mit Gas erschlossen'''''. Der hiesige Bezug von Gas war für das Gaswerk St. Gallen absolut unwirtschaftlich, zumal die Speicherer ihre Häuser meist noch mit Holz und Kohle beheizten.  
'''''Im Jahre 1973, also 60 Jahre nach den Gaslieferungsbeschluss, waren von den rund 1300 Haushaltungen in Speicher 419 Häuser mit Gas erschlossen'''''.<br />
So liessen die Stadtwerke verlauten, dass in Speicher nur soviel Gas verbraucht würde, wie in St. Gallen ein grosses Mehrfamilienhaus mit vollem Gasbezug benötige.<br />
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Von diesen 419 Gasbezügern waren 370 Kleinbezüger, weil die Speicherer ihre Häuser meist noch mit Holz und Kohle beheizten und das Gas nur zum kochen verwendeten. Der hiesige Bezug von Gas war für das Gaswerk St. Gallen deshalb absolut unwirtschaftlich. So liessen die Stadtwerke verlauten, dass in Speicher nur soviel Gas verbraucht würde, wie in St. Gallen ein grosses Mehrfamilienhaus mit vollem Gasbezug benötige.<br /><br />
'''Abbruch der Übung'''<br />
Die weit auseinanderliegenden Liegenschaften Speichers waren durch lange Zuführungsleitungen erschlossen, was grosse Unterhalts und Reparaturkosten verursachte. Mit der geplanten Umstellung auf Erdgas hätten zudem wegen des höheren Drucks auf der Leitung viele Rohre ausgewechselt werden müssen. Diese Erkenntnis bewog das Gaswerk St. Gallen, den '''Gasvertrag mit Speicher per 31.3.1973 aufzulösen''', mit der Zusicherung der Gaslieferung für ein weiteres Jahr.<br /><br />


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'''Gasversorgungsplan von 1914'''
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Gasversorgung_Speicher_Plan_1914_Deckblatt.jpg|Deckblatt des Planes von 1914
Gasversorgung_Speicher_Plan_1914_Deckblatt.jpg|Deckblatt des Planes von 1914
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Gasversorgung Teilplan 5.jpg |Teilpan 5 des Leitungsverlaufs
Gasversorgung Teilplan 5.jpg |Teilpan 5 des Leitungsverlaufs
Gasversorgung Druckregler.jpg|Druckregleraufbau in Speicher
Gasversorgung Druckregler.jpg|Druckregleraufbau in Speicher
Kochherd.jpg|alter Kochherd um 1940
Gasflamme.jpg|Gasflamme eines Kochherdes
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'''Abbruch der Übung'''<br />
Die weit auseinanderliegenden Liegenschaften Speichers waren durch lange Zuführungsleitungen erschlossen, was laufend grosse Unterhalts und Reparaturkosten verursachte und dadurch die Rechnung der Stadtwerke belastete. Mit der geplanten Umstellung auf Erdgas hätten zudem wegen des höheren Drucks auf den Leitungen die bestehenden Rohre ausgewechselt werden müssen. Diese Erkenntnis bewog das Gaswerk St. Gallen, den '''Gasvertrag mit Speicher per 31.3.1973 aufzulösen''', mit der Zusicherung der Gaslieferung für ein weiteres Jahr.<br /><br />


 
Dieser Beschluss der Gasversorgung ärgerte die Gasbezüger in Speicher und sie schlossen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen. In der darauf folgenden '''Gemeindeabstimmung''' lehnten die Stimmberechtigten die '''Initiative zur Weiterführung der Gasversorgung von Speicher''' knapp mit 484 zu 441 Stimmen ab. Zur Abfederung von Härtefällen beschloss der Gemeinderat eine finanzielle Unterstützung für die Umstellung auf andere Energiequellen. Da kurz vor der Ankündigung der Stilllegung der Gaslieferung noch Werbung für die Umstellung auf Gas gemacht wurde, waren vor allem die Neukunden empört.<br />
Dieser Beschluss der Gasversorgung ärgerte die Gasbezüger in Speicher und sie schlossen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen. In der darauf folgenden '''Gemeindeabstimmung''' lehnten die Stimmberechtigten die '''Initiative zur Weiterführung der Gasversorgung von Speicher''' knapp ab. Zur Abfederung von Härtefällen beschloss der Gemeinderat eine finanzielle Unterstützung für die Umstellung auf andere Energiequellen.<br />
Auch die Gerichte wurden beansprucht, forderten doch die Stadtwerke St. Gallen Abgeltung für den Restbuchwert der von ihnen gebauten, aber nicht mehr benötigten Gasleitungen. Speicher lehnte die Forderung entschieden ab, da schon genug Geld aufgewendet werden musste, um die betroffenen Hausbesitzer zu entschädigen.


Per Ende März 1974 wurden alle Gasuhren durch die Gasversorgung St. Gallen demontiert und sämtliche Leitungen aus Sicherheitsgründen ausgeblasen.<br />
Per Ende März 1974 wurden alle Gasuhren durch die Gasversorgung St. Gallen demontiert und sämtliche Leitungen aus Sicherheitsgründen ausgeblasen.<br />


Die Elektriker des EW Trogenerbahn hatten in jenem Jahr einen Grosseinsatz zu leisten, mussten sie doch 320 Kochherde und 66 Boiler montieren, sowie 38 Hausanschlüsse für den erhöhten Strombedarf verstärken.<br />
Die Elektriker des EW Trogenerbahn hatten in jenem Jahr einen Grosseinsatz zu leisten, mussten sie doch 320 Kochherde und 66 Boiler montieren, sowie 38 Hausanschlüsse für den erhöhten Strombedarf verstärken. Die demontierten Gasherde, Boiler und Heizungen wurden im Kalabinth zwischengelagert, bevor sie dann endgültig in die Verschrottung gehen konnten.<br />


'''''Wenn heute Strassen saniert oder Grundstücke überbaut werden, finden die Bauunternehmer immer noch viele alte Rohre der ehemaligen Gasversorgung Speicher vor'''''.<br />
'''''Wenn heute Strassen saniert oder Grundstücke überbaut werden, finden die Bauunternehmer immer noch viele alte Rohre der ehemaligen Gasversorgung Speicher vor'''''.<br />

Aktuelle Version vom 12. Dezember 2022, 17:49 Uhr

Vorgeschichte
Bereits im Jahre 1856 wurde das Gaswerk St. Gallen gegründet. Das sogenannte Leucht- oder Stadtgas wurde anfangs durch die Destillation von Holz und Torf, später durch Steinkohle gewonnen. Verwendet wurde das Gas anfangs ausschliesslich zur Strassenbeleuchtung in der Stadt. Im Jahre 1900 erleuchteten dort rund 1000 Gaslaternen die Strasse, Wege und Gassen. Ab Mitte der 1880er Jahre wurde das Gas zum Kochen und später auch zu Heizen verwendet.

Gasproduktionsanlage um 1900













Der steigende Verbrauch bewog das Gaswerk St. Gallen, 1903 im Rietli Goldach ein neues Gaswerk zu erstellen. Dadurch konnte man die Brandgefahr und gleichzeitig die starke Luftverschmutzung in der Stadt reduzieren. Durch die Erweiterung der Produktion konnte man nun zusätzliche Bezüger ans Gasnetz nehmen.

Speicher am Gasnetz
Im Jahre 1913 erteilte Speicher dem Gaswerk St. Gallen eine 20-jährige Konzession zur Lieferung von Stadtgas. Nach Ablauf wurde die Konzession stillschweigend um jeweils 5 weitere Jahre verlängert.
Eine Gussleitung transportierte das Gas von Goldach nach St. Gallen, und von dort weiter nach bis Speicher zu den Verbrauchern.

Im Jahre 1973, also 60 Jahre nach den Gaslieferungsbeschluss, waren von den rund 1300 Haushaltungen in Speicher 419 Häuser mit Gas erschlossen.

Von diesen 419 Gasbezügern waren 370 Kleinbezüger, weil die Speicherer ihre Häuser meist noch mit Holz und Kohle beheizten und das Gas nur zum kochen verwendeten. Der hiesige Bezug von Gas war für das Gaswerk St. Gallen deshalb absolut unwirtschaftlich. So liessen die Stadtwerke verlauten, dass in Speicher nur soviel Gas verbraucht würde, wie in St. Gallen ein grosses Mehrfamilienhaus mit vollem Gasbezug benötige.


Gasversorgungsplan von 1914


Abbruch der Übung
Die weit auseinanderliegenden Liegenschaften Speichers waren durch lange Zuführungsleitungen erschlossen, was laufend grosse Unterhalts und Reparaturkosten verursachte und dadurch die Rechnung der Stadtwerke belastete. Mit der geplanten Umstellung auf Erdgas hätten zudem wegen des höheren Drucks auf den Leitungen die bestehenden Rohre ausgewechselt werden müssen. Diese Erkenntnis bewog das Gaswerk St. Gallen, den Gasvertrag mit Speicher per 31.3.1973 aufzulösen, mit der Zusicherung der Gaslieferung für ein weiteres Jahr.

Dieser Beschluss der Gasversorgung ärgerte die Gasbezüger in Speicher und sie schlossen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen. In der darauf folgenden Gemeindeabstimmung lehnten die Stimmberechtigten die Initiative zur Weiterführung der Gasversorgung von Speicher knapp mit 484 zu 441 Stimmen ab. Zur Abfederung von Härtefällen beschloss der Gemeinderat eine finanzielle Unterstützung für die Umstellung auf andere Energiequellen. Da kurz vor der Ankündigung der Stilllegung der Gaslieferung noch Werbung für die Umstellung auf Gas gemacht wurde, waren vor allem die Neukunden empört.
Auch die Gerichte wurden beansprucht, forderten doch die Stadtwerke St. Gallen Abgeltung für den Restbuchwert der von ihnen gebauten, aber nicht mehr benötigten Gasleitungen. Speicher lehnte die Forderung entschieden ab, da schon genug Geld aufgewendet werden musste, um die betroffenen Hausbesitzer zu entschädigen.

Per Ende März 1974 wurden alle Gasuhren durch die Gasversorgung St. Gallen demontiert und sämtliche Leitungen aus Sicherheitsgründen ausgeblasen.

Die Elektriker des EW Trogenerbahn hatten in jenem Jahr einen Grosseinsatz zu leisten, mussten sie doch 320 Kochherde und 66 Boiler montieren, sowie 38 Hausanschlüsse für den erhöhten Strombedarf verstärken. Die demontierten Gasherde, Boiler und Heizungen wurden im Kalabinth zwischengelagert, bevor sie dann endgültig in die Verschrottung gehen konnten.

Wenn heute Strassen saniert oder Grundstücke überbaut werden, finden die Bauunternehmer immer noch viele alte Rohre der ehemaligen Gasversorgung Speicher vor.


Quelle:
Strebel Hanspeter, „Speicher, der Weg zum Heute“, 2014
Karte:
Archiv Gemeindeverwaltung Speicher
Text:
Paul Hollenstein 2017