Gähler Hermann - Gemeindepolizist und Landweibel

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Dorfpolizist

Der letzte Dorfpolizist Speichers

Der letzte Dorfpolizist Speichers, Hermann Gähler, mag sich noch gut an seinen ersten Arbeitstag an Neujahr 1966 erinnern, als die Maul und Klauenseuche ausbrach und ihm viel Arbeit bescherte.

Der 26-jährige hatte im Gegensatz zu den meisten seiner nebenamtlichen Kollegen in kleineren Dörfern, die etwa als Bauern, Seidenweber oder Schlosser tätig waren, die Polizeischule in St.Gallen absolviert. Er war zuvor schon als Gemeindepolizist in St. Moritz tätig gewesen.

Einen Teil seines Lohns übernahm der Kanton, der ja selber noch keine Polizei beschäftigte, aber wo doch gewisse Aufgaben anfielen, die er an den Gemeindepolizisten delegierte. Für seinen Dienst musste Hermann Gähler sein ohne Beschriftung und Blaulicht ausgerüstetes Privatauto benutzen, gegen eine kleine Entschädigung.

Genauso war es bei seinem treuen Hund Arno.

Seine Wohnung hatte er, wie den Posten im Kanzleigebäude. Er musste sechs Tage die Woche 24 Stunden erreichbar sein, ohne dabei über Funk, Handy oder ähnliche technische Einrichtungen zu verfügen. War er unterwegs, musste seine Frau für die Erreichbarkeit sorgen und ihn allenfalls alarmieren.

Einfache Verhältnisse

Interne Polizeimeldungen wurden in St. Gallen gelesen und um 11.00h per separaten Radiokanal an die Polizeiposten gesendet.

In Speicher gab es im Spritzenhaus, gegenüber der Gemeindekanzlei 2 Arrestzellen. Ganz einfach aus Holz gebaut mit einer Pritsche und einem Kübel für die Notdurft. War übers Wochenende ein Zellengast eingesperrt, musste er vom Polizisten verpflegt werden, bevor er dann am Montag nach Trogen oder Teufen abgegeben werden konnte.

Zum Dienst gehörte auch das wöchentliche Runden in Wirtschaften, um gegen die Polizeistundenübertretungen vorzugehen. Dass man die Zeitansage des Landessenders Beromünster als Grundlage für die Verzeigungen heranzog, zeigt, dass dieses Problem von Amtes wegen sehr ernst genommen wurde.

Simple Botengänge

Die geltende Dienstordnung stammte aus dem Jahre 1879 und war nur gelegentlich geringfügig angepasst worden. Hermann Gähler hatte sich wie seine Vorgänger täglich am Morgen auf der Kanzlei zu melden und die Aufträge entgegenzunehmen, die oft den Charakter von simplen Botengängen hatten.

Sein Chef für die polizeilichen Belange war der Verhörrichter, nicht etwa der Chef des Kantonspolizeiamtes, der mehr für verwaltungspolizeiliche Aufgaben eingesetzt wurde. Das einzig einigermassen Einheitliche unter den Dorfpolizisten war die Uniform, mit Ausnahme der Hemden, wo Herisau als einzige Gemeinde des Kantons eine Extrawurst haben musste.

Einzelgänger

In anderen Dörfern ähnlicher Grösse waren meist mehrere Polizisten im Einsatz, in Speicher aber blieb der Gemeindepolizist bis zur Integration in die Kantonspolizei im Jahre 1972 ein Einzelgänger. In der Kantonsstatistik der Delikte rangierte Speicher stets auf den letzten Rängen, was ja nicht verwunderlich war. Der Dorfpolizist konnte nicht überall sein.

Schwierig war auch der Verkehrsdienst beim Skilift Almenweg zu bewerkstelligen. Die lange Kolonne der am Strassenrand nach Teufen parkierten Autos verunmöglichte oftmals das Kreuzen von Fahrzeugen. Ohne Verkehrsregelung war fast kein Durchkommen möglich. Hermann Gähler waren aber die Hände gebunden, denn alleine konnte er hier keine Wirkung entfalten. Dem Unmut der Autofahrer auszuweichen war die einzige Lösung, also hielt er sich dort lieber fern.

Stundenweise war auch Wegmacher Rotach im Dienst, der mit seiner Feuerwehruniform stolz durch das Dorf Speicher patrouillierte. Dieser eher einfach gestrickte Kerl liebte es, alle 2-3 Tage die neu in Mode gekommenen „Töffli“ zu kontrollieren.

Im Jahre 1971, knapp vor der Integration in die Kantonspolizei, bekam Hermann Gähler endlich eine Stellvertretung aus Trogen, später aus Teufen.

Schreckliche Ereignisse und lustige Gegebenheiten

Schreckliche Ereignisse, aber auch lustige Gegebenheiten haben Hermann Gähler während seiner gut 6-jährigen Dienstzeit als Dorfpolizist begleitet. Hier eine lustige Geschichte, welche zeigt, mit wie viel sozialer Kompetenz unser letzter Dorfpolizist zu Werke ging.

Oral History „Entlaufene Jugendliche“.

Aufhebung der Gemeindepolizei

In Fachkreisen war man sich längst über die Notwendigkeit einig, dass Ausserrhoden als inzwischen einziger Stand eine Kantonspolizei benötigte. Endlich, nach mehreren vergeblichen Anläufen wurde 1972 die KAPO eingeführt. Gemäss Hermann Gähler waren für den späten Zeitpunkt die Gemeinden verantwortlich, die ihre ausgeprägte Autonomie auch in diesem Bereich hochhielten und ihre Handlanger nicht verlieren wollten.

Für ihn war der Übertritt zur Kantonspolizei deshalb ein grosser und positiver Einschnitt im Berufsleben. Erstmals habe er nach Dienstschluss gewusst, dass nachts das Telefon nicht läutete. Sein Aufgabengebiet und die Anstellungsbedingungen waren klar umrissen und mit Stellvertretungen geregelt. Hermann Gähler war in Trogen als Kantonspolizist für verschiedene Bereiche tätig, mit Speicher hatte er nichts mehr zu tun.

Seiner Zeit als Gemeindepolizist weinte er keine Träne nach, auch wenn er die Kollegschaft und Hilfsbereitschaft unter seinen Berufskollegen rühmt und auch die menschliche, wenn auch vielleicht nicht immer ganz buchstabengetreue Art, wie die übertragenen Aufgaben so gut wie möglich vollzogen werden konnten.

Landweibel

Quelle: Hanspeter Strebel; Speicher - der Weg zum heute


Text: Paul Hollenstein 2018