Waisenhaus

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Baugeschichte

Das an prominenter Lage platzierte Waisenhaus auf Holderschwendi geht auf einen Neubau von 1852/53 zurück. 643 Bäume mussten für das mehrgeschossige Gebäude mit französischem Dachstuhl und Webereiräumen im Erdgeschoss gefällt werden. Zusammen mit dem Bau entstand auch das Wöschhüsli. Die Pläne der Neubauten lieferte Architekt Enoch Breitenmoser. Bereits 1628 war an gleicher Stelle ein Haus erbaut worden, das ab 1799 als Waisenhaus diente, bis es 1852 ins Quartier Buchen versetzt wurde. Nach Aufhebung der Waisenanstalt im Jahr 1942 diente das Gebäude bis in die Nachkriegszeit hinein dem „Schweizerischen Hilfswerk für Emigrantenkinder“. Allein in den letzten beiden Kriegsjahren fanden über 150 Flüchtlingskinder aus halb Europa Aufnahme im ehemaligen Waisenhaus. Heute ist es Wohnhaus in Gemeindebesitz.

Waisenhaus Nordseite mit Wöschhüsli

Waisenhaus als soziale Einrichtung

In den Hungerjahren 1770 bis 1772 nahm die Notlage der Armen und Waisen so stark zu, dass in mehreren Gemeinden Ausserrhodens Waisenhäuser eingerichtet wurden. Ursprünglich fanden in Waisenhäusern „sowohl schutzlose Waisen als auch körperlich Gebrechliche Aufnahme und Pflege“, ebenso sollten dort „werkmüde Alte ohne Nahrungssorgen den Rest ihrer Tage verbringen können.“ Nach 1768 in Trogen und 1769 in Herisau wurde 1797 in Speicher das erste Waisenhaus eingerichtet. Zu diesem Zweck wurde ein Haus an der Kohlhalden gepachtet. 1840 fand in Speicher die Trennung der (Kinder-) Waisen von den Alten statt mit je einem Waisenhaus und einem Armenhaus. Als Waisenhaus diente der Vorgängerbau des heutigen „Waisenhauses.“ Damit wurde das Waisenhaus zugleich Erziehungs- und Berufsbildungsstätte, in erster Linie für Berufe und Tätigkeiten des Textilhandwerks, wozu ja die Webereiräume als eine Art Lehrwerkstätte eigens erstellt wurden.

Prominente Zöglinge

Im Waisenhaus aufgewachsen ist auch Johann Heinrich Krüsi (1843-1899), der später in den USA als Erfinder und Mitarbeiter von Thomas A. Edison Karriere machte. 1857 lebte er zusammen mit 31 andern Kindern in der von Lehrer Zogg geführten Anstalt, „wo er nichts als ein armes kleines Weberlein war und täglich dreimal aus zinnernen Schüsselchen sein Habermus ass“(Zitat aus "Beckenfridli"). Auch der Art-brût-Künstler Hans Krüsi (Der Mann mit den Blumen am Hut) verbrachte einen Teil seiner Jugendzeit im Waisenhaus. Als Zehnjähriger kam er 1930 ins Waisenhaus in seine Heimatgemeinde Speicher, wo er seine Schulzeit mehr schlecht als recht verbrachte.
Alfred Altherr (*14.3.1843 - 18.1.1918) wurde als Kind von den Eltern getrennt, nachdem diese in Grub ihre Bäckerei aufgeben mussten und gezwungen wurden ihr Haus zu verkaufen. Er kam 11-jährig ins Waisenhaus in Speicher, seinem Bürgerort. Mit 14 Jahren konnte er im "Institut" in Trogen die Schulausbildung machen und schliesslich in Zürich Theologie studieren. Er wirkte als Pfarrer in Basel und verfasste mehrere Bücher. Einem seiner Bücher (erschienen 1897) mit dem Titel "Beckenfridli" ist ein zeitgenössischer Einblick in die damaligen Verhältnisse im Waisenhaus zu verdanken, ist es doch seine ganz persönliche Geschichte. Er weilte zeitgleich mit John Krüsi im Waisenhaus Speicher.




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