Tobler Johann Heinrich: Unterschied zwischen den Versionen

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Literarische Arbeiten aus dem Gebiete der Geschichte:„Regenten- und Landesgeschichte des Kantons Appenzell A. Rh., mit 30 Bildnissen. 1813". In den appenzellischen Monatsblättern veröffentlichte er verschiedene Originalaufsätze, so z. B. über die Privat-Brandversicherungsanstalt im Kanton Appenzell A. Rh., deren Mitgründer er 1823 war und bis 1837 deren Buchhalter, oder über die Verhandlungen des Grossen Rates wegen der 1814er Verfassung.
Literarische Arbeiten aus dem Gebiete der Geschichte:„Regenten- und Landesgeschichte des Kantons Appenzell A. Rh., mit 30 Bildnissen. 1813". In den appenzellischen Monatsblättern veröffentlichte er verschiedene Originalaufsätze, so z. B. über die Privat-Brandversicherungsanstalt im Kanton Appenzell A. Rh., deren Mitgründer er 1823 war und bis 1837 deren Buchhalter, oder über die Verhandlungen des Grossen Rates wegen der 1814er Verfassung. Ebebenso sind genaue Berichte über zwei Kriminalfälle erhalten, von er wahrscheinlich in seiner Zeit als Schreiber am Distriktsgericht Kenntnis erhalten hatte.


=== Gründung der Sonnengesellschaft ===
=== Gründung der Sonnengesellschaft ===

Version vom 7. Januar 2021, 20:30 Uhr

"Alles Leben strömt aus Dir..."

Johann Heinrich Tobler

Mit dem kompositorischen Part des Landsgemeindeliedes "Ode an Gott" hat sich Johann Heinrich Tobler seinen festen Platz im Bewusstsein der Ausserrhoder Öffentlichkeit gesichert. Mit einem Denkmal auf Vögelinsegg erwies ihm diese denn auch die Reverenz. Er war einer der Gründungsväter der Sonnengesellschaft Speicher und hatte massgeblichen Anteil am Entstehen der heutigen evangelischen Kirche.




Autodidakt mit viel Talent

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Ausserrhodens Männer bis 1989, als sie dem Frauenstimmrecht nach mehreren Anläufen endlich ihren Segen erteilten, ein Landsgemeindelied anstimmten, dessen Text von einer deutschen Frau stammt. Die Dichterin Karoline Rudolphi veröffentlichte 1787 ein Gedichtbändchen, in dem sich die neunstrophige "Ode an Gott" befindet. Die in seinem Empfinden besten vier Strophen unterlegte Johann Heinrich Tobler mit jener höchst eingängigen Melodie, die ab 1877 als offizielles Ausserrhoder Landsgemeindelied gesungen wurde – von 1990 bis zur Abschaffung der Landsgemeinde 1997 nun auch von den Frauen. In Toblers Schaffen stellt die "Ode an Gott" mit dem textlichen Auftakt "Alles Leben strömt aus Dir..." das bedeutendste Werk dar. Darüber hinaus komponierte er eine grosse Zahl von Liedern, die teilweise noch immer zum Stammrepertoire von Chören gehören. Eine systematische musikalische Ausbildung hat Tobler nie genossen. Sein kompositorisches Naturtalent liess ihn Melodien erfinden und zu Papier bringen, die ihrer Hörfälligkeit bis auf den heutigen Tag anzusprechen vermögen.


Denkmal an J. H. Tobler auf Vögelinsegg

Ob seines musikalischen Bekanntheitsgrades geht leicht vergessen, dass sich der 1777 in Trogen geborene Johann Heinrich Tobler auch auf anderen Gebieten Verdienst erwarb. Er, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, erlernte den Beruf des Modelstechers und übte dieses Handwerk ab 1792 in Speicher aus. Von 1798 bis 1803, zur Zeit der Helvetik, hatte er das Sekretärsamt des Distriktgerichts Teufen inne. 1803 wurde er Ausserrhoder Landschreiber, ehe er 1816 zum Landsfähnrich und damit zum Regierungsmitglied gewählt wurde. Er blieb es allerdings nur ein Jahr lang. Seine Spuren in Speicher hat er einerseits mit der Gründung der Sonnengesellschaft, andererseits mit seiner massgeblichen Einflussnahme beim Bau der 1810 eingeweihten evangelischen Kirche hinterlassen. Zur Ausführung gelangten ein Bau nach den Vorstellungen von Johann Heinrich Tobler. Ab 1803 leitete er während 22 Jahren auch die Geschicke des Musikvereins Speicher, der damals als Instrumental-Gesellschaft zum Ochsen die Bevölkerung erfreute. Dem Andenken Toblers gilt das 1938 eingeweihte und von Bildhauer Wilhelm Meier geschaffene Denkmal auf der Vögelinsegg.


Text: Martin Hüsler

Ergänzende Lebensdaten

Das spätere Wirtshaus Frohsinn

1777 in Trogen geboren als Sohn des Metzgers und Landweibels Hans Jakob Tobler, welcher verstarb, als Johann Heinrich noch Kind war. Es folgte eine entbehrungsreiche und freudlose Kinder- und Jugendzeit nach der Wiederheirat seiner Mutter Ursula Tanner, verwitwete Lutz, mit dem Taubenwirt Matthias Eugster auf Vögelinsegg. Gegen den Widerstand seines Stiefvater, des „Vogtes“, konnte er 1791 in Herisau doch noch den Beruf des Modelstechers erlernen, den er ab 1792 in Speicher ausübte. 1798 nahm er die Stelle des Sekretärs am Distriktgericht Teufen an, in den Wirren der Helvetik zog er 1803 als Bataillonsadjudant bis nach Bern.

Ab 1803 folgten Landschreiberjahre bis 1816 zur Wahl als Landesfähnrich in die Regierung, die er ein Jahr später verlassen musste, weil seine Vermögensverhältnisse das Amt nicht mehr zuliessen (Seine Mousselinfabrikate an das Zellwegerhaus Trogen liessen sich wegen der Kontinentalsperre nicht mehr absetzen). Tobler wohnte im Haus, das später zur Wirtschaft zum Frohsinn wurde. 1803 bis 1825 leitete Tobler die Musikgesellschaft Speicher. Ab 1819 war er Mitglied der St. Galler Singgesellschaft zum Antlitz, 1824 Gründungsmitglied (zusammen mit Initiant Dekan Samuel Weishaupt aus Wald) des Appenzellischen Sängervereins und 1832 der Appenzellischen Gemeinnützigen Gesellschaft. 1825 war er, "Direktor" des Sängerfestes auf Vögelinsegg, dem ersten schweizerischen Sängerfest, dem Vorbild für alle später folgenden Feste.

Politisch mit Herzblut liberal

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Am 11. November 1824 trug Johann Heinrich Tobler in einem Vortrag seine Gedanken zu Freiheit, Verfassung und Gesetzen vor. Der handschriftliche Vortrag wurde anschliessend in die Sammlung der „Relationen“ eingebunden. Es befindet sich im Privatarchiv der Sonnengesellschaft Speicher im Staatsarchiv AR in Herisau.

Tobler betitelt seinen Vortrag mit dem sperrigen Titel „Flüchtig hingeworfene Gedanken über Freiheit, Vaterland Verfassung und Gesetze“ Der Vortrag ist Ausdruck der Zeit der Restauration, in der konservative und liberale Kräfte um die Vorherrschaft rangen. Die Sonnengesellschaft gehörte, ebenso wie beispielsweise die neu entstandenen Gesangs- und Turnvereine und ab 1828 auch die Appenzeller Zeitung zu den Vorkämpferinnen des freiheitlichen Denkens. Der Vortrag Toblers umschreibt als Vision jene liberale Grundhaltung, die den Ideen der Französischen Revolution zugrunde lag. Seine Kritik bezieht sich auf die kantonalen Verhältnisse, die ihm aus der Praxis als Sekretär des Distriktsgerichts (1798 bis 1803), als Landschreiber (1803 bis 1816) und als Landsfähnrich (1816-1817) bestens geläufig waren.

Zeitreise mit Philipp Langenegger

Im Rahmen des Jubiläums „200 Jahre Sonnengesellschaft“ wurde der Vortrag transkribiert und sprachlich leicht angepasst. Schauspieler Philipp Langenegger lässt den Abend des 11. November 1824 neu aufleben. Der Vortrag dauert rund 30 Minuten, der Trailer rund 5 Minuten. Eine Textdatei mit der dem Video zugrunde liegenden Version des Vortrags ist hier verfügbar.

"Vorlesung": Gedanken zu Freiheit, Verfassung und Gesetze

Kompositorisches und literarisches Schaffen

Tobler ist bekannt als Komponist vieler Lieder. Das Komponieren brachte er sich selbst bei. 1810 erschien von ihm eine „Sammlung von Gesellschaftsliedern", die 1828 eine Neuauflage erlebte. Von seinen eigentümlichen Volks- und Gelegenheitsgedichten fanden mehrere Aufnahme in die „Sammlung appenzellischer Lieder und Gedichte 1829“. Anzumerken ist, dass Toblers Lieder, so genannt „sittliche und bildende Gesänge“ schon bald mit wenigen Ausnahmen aus der Mode fielen, wie beispielsweise "Der freie Schweitzer Hirt"

Auf Brueder.JPEG




Anlässlich des Neujahrsaperos der Gemeinde Speicher vom 4. Januar 2020 wurde auch der erste Anlass zum 200-Jahr-Jubiläum der Sonnengesellschaft inszeniert: Zum Thema "Singen" nahm Philipp Langenegger das Publikum mit auf eine Zeitreise in der Gestalt von Johann Heinrich Tobler. Der Chor Wald unter der Leitung von Jürg Surber begleitete die theatralische Aktion, geschrieben von Peter Surber, mit dem Tobler Lied "Gute Nacht"



Literarische Arbeiten aus dem Gebiete der Geschichte:„Regenten- und Landesgeschichte des Kantons Appenzell A. Rh., mit 30 Bildnissen. 1813". In den appenzellischen Monatsblättern veröffentlichte er verschiedene Originalaufsätze, so z. B. über die Privat-Brandversicherungsanstalt im Kanton Appenzell A. Rh., deren Mitgründer er 1823 war und bis 1837 deren Buchhalter, oder über die Verhandlungen des Grossen Rates wegen der 1814er Verfassung. Ebebenso sind genaue Berichte über zwei Kriminalfälle erhalten, von er wahrscheinlich in seiner Zeit als Schreiber am Distriktsgericht Kenntnis erhalten hatte.

Gründung der Sonnengesellschaft

Arnold Eugster schreibt in App. Jahrbücher 1923: Da Tobler der eigentliche Gründer der Sonnengesellschaft war -- eine diesbezügliche Notiz bei Baumberger (Festschrift zum 60-jährigen Bestehen der Sonnengesellschaft; Red.) ist in diesem Sinn zu korrigieren … und ebenda: Wir entnehmen sie seiner Selbstbiographie, welche er im Jahre 1827 in der Gesellschaft vorgelesen hat, die das Manuscript heute noch pietätsvoll aufbewahrt, obschon es im Jahre 1838 nach Toblers Tode in der Appenzeller Zeitung abgedruckt worden ist. (App. Jahrbücher 1923, Seite 4) … Nachdem er lange den Plan zu einer Vereinigung Gleichgesinnter still mit sich herumgetragen, dann gelegentlich auch dem Einen oder Andern sein Vorhaben anvertraut, aber nicht immer die gewünschte Zustimmung gefunden hatte, entschloss er sich, den Schritt zu wagen und lud auf den 6. Oktober 1820 eine Anzahl von Freunden und Bekannten ins Gastzimmer des Herrn Oberst Rüsch zur „Sonne" zu einer Besprechung ein. Es erschienen 18 Gemeindeeinwohner, die die Ideen Toblers sofort zu den ihrigen machten und sich zu einer Gesellschaft gebildeter und bildungsliebender Männer zusammenschlossen, die sich die Aufgabe setzte, wöchentlich einmal zusammenzukommen und sich durch das Lesen von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie durch mündliche Aussprache gegenseitig zu unterhalten und zu belehren." … Sein poetisches Talent brachte er an Kläuslern zur Geltung: Arnold Eugster, App. Jahrbücher 1923: Landesfähndrich Tobler hat der Gesellschaft mehrmals unter dem Titel : „Eine Schüssel voll Nüsse und Dürrebirnen"* humoristische Gaben vorgetragen, indem er den griesgrämigen Neidern und Gegnern der Vereinigung gehörig heimleuchtete.


Tobleralbum in der Sonnengesellschaftsbibliothek

Arnold Eugster, App. Jahrbücher 1923:

Tobleralbum Titelblatt

Der heutige Stand der Sonnengesellschaftsbibliothek zeigt weit über 1000 Bände und ist neben der Belletristik hauptsächlich an historischen Werken wertvoll. Als eine besondere Zierde darf das Tobler-Album bezeichnet werden, eine handschriftliche, von Lehrer Müller sehr schön ausgeführte Sammlung von 69 Liedern des Komponisten J. H. Tobler in Partitur, die 1860 beschlossen wurde „zur dankbaren Erinnerung an den um den appenzellischen Volksgesang verdienten Komponisten Landsfähndrich Tobler, sowie im Interesse der Anerkennung und Erhaltung- literarischer und künstlerischer Erzeugnisse unserer Gemeinde“.

Wie Eugster richtig schreibt, ist die Sammlung "von Lehrer Müller sehr schön ausgeführt." Das Schriftbild ist von einer erstaunlichen Präzision und Schönheit, die wohl viele fragen lässt, wie das überhaupt möglich war.



Wertschätzung schweizweit

Nekrolog Tobler App MB 1938 Heft 7 S102.JPEG

Einen kleinen Einblick in die Wertschätzung, die J.H.Tobler weit über die Grenzen des Appenzellerlandes genoss, mag der Nekrolog in den Appenzellischen Monatsblättern von 1838 im Heft 7 auf Seite 102 geben:

Hommage an Joh. Heinr. Tobler

Johann Heinrich Tobler (1777–1838) war nicht nur Initiant und Mitgründer der Sonnengesellschaft und lange treibende Kraft im Vorstand. Im Zentrum seines vielfältigen gesellschaftlichen Engagements stand die Musik, insbesondere der Volksgesang. Als Komponist ist er mit einem ganz besonderen Werk unvergesslich geblieben: mit der «Ode an Gott», dem Appenzeller Landsgemeindelied.

Die für den 28. Mai 2020 in der Kirche in Speicher geplante «Hommage an Johann Heinrich Tobler» mit Rudolf Lutz, künstlerischer Leiter der J.S. Bach-Stiftung, und Heidi Eisenhut, Leiterin der Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, findet im Jubiläumsjahr der Sonnengesellschaft nicht statt. Die beiden Protagonisten sind aber guter Dinge, den Anlass zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen: mit bekannten und unbekannten Liedern und Texten von Tobler und der einen oder anderen Überraschung. In einem Video von Samuel Lutz, gedreht in der Kirche Speicher im Mai 2020, laden sie dazu ein. Der Anlass und die Video-Vorschau sind ein Geschenk von Konrad Hummler, Inhaber der Krone Speicher, an die Sonnengesellschaft und begleiten die Ausstellung «200 Jahre Sonnengesellschaft» im Museum für Lebensgeschichten.


Landsgemeindekantate „Alles Leben strömt aus dir“

Rudolf Lutz hat zum Landsgemeindelied die sogenannte Landsgemeindekantate „Alles Leben strömt aus dir“ komponiert und diese mit dem Chor und dem Orchester der J.S. Bach-Stiftung im August 2018 in der Kirche Trogen zu einer viel beachteten Aufführung gebracht. Der Link auf die einzelnen Elemente findet sich hier.

Einführung in die Landsgemeindekantate sowie weitere Werke von und mit Rudolf Lutz finden sich hier.



Video Hommage an Joh. Heinr. Tobler: Aufnahmen/Schnitt/Montage: Samuel Lutz, Mai 2020



Text: Peter Abegglen