Tapeten als Zeitzeugen: Unterschied zwischen den Versionen

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Fest steht, dass Tapeten in der Zeit, als sie angebracht wurden, ein Luxusgut waren, das sich nur leisten konnte, wer über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügte. Johannes Schläpfer, der Erbauer des Oberen Kaufhauses, dürfte also die Repräsentationsräume im Stile der Zeit mit den damals in Mode stehenden Tapeten ausgestattet haben.
Fest steht, dass Tapeten in der Zeit, als sie angebracht wurden, ein Luxusgut waren, das sich nur leisten konnte, wer über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügte. Johannes Schläpfer, der Erbauer des Oberen Kaufhauses, dürfte also die Repräsentationsräume im Stile der Zeit mit den damals in Mode stehenden Tapeten ausgestattet haben.
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=== Modeströmungen in Tapetenmotiven ===
=== Modeströmungen in Tapetenmotiven ===

Version vom 16. Februar 2022, 17:58 Uhr

Beim Umbau des Oberen Kaufhauses von 2021/2022 kamen Tapetenreste zutage, die Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse der Familien Schläpfer zulassen. Dabei sind Tapeten mehrfach wieder überklebt worden, die verschiedenen Tapetenschichten werden somit zu Zeugen von Modeströmungen.

Tapeten - "Papier peint"

Papiertapeten wurden erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts mehr oder weniger serienmässig produziert. Das Bedrucken war letztlich eine Abwandlung des Stoffdruckverfahrens mittels Holzmodeln auf handgeschöpfte Papierbahnen. Die erste Tapetendruckerei in Deutschland entstand 1789 in Kassel. 1799 wurde die Langsieb-Papiermaschine erfunden, welche die Papiertapete als Massenprodukt ab Mitte des 19. Jahrhunderts erst möglich und damit für die breite Bevölkerung erschwinglich machte.
In Frankreich heissen Tapeten "papier peint", der Ausdruck weist darauf hin, dass ursprünglich Papier bemalt, resp. mit Modeln bedruckt wurde.

Tapetenreste im Oberen Kaufhaus

Oberes Kaufhaus um 1830

Alle Tapetenreste sind nur in kleinen Bruchstücken erhalten, somit auch nicht erhaltenswert. Die Motive auf den Tapeten lassen darauf schliessen, dass diese Tapeten im ursprünglichen, 1771 errichteten, Bau des Oberen Kaufhauses zur Verschönerung der Innenräume verwendet wurden. Mit dem Umbau von 1845 zur heutigen äusseren Gestalt des Hauses und auch grossen Eingriffen in die anfängliche räumliche Einteilung wurden diese Tapeten abgelöst, allenfalls überklebt.

Fest steht, dass Tapeten in der Zeit, als sie angebracht wurden, ein Luxusgut waren, das sich nur leisten konnte, wer über die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten verfügte. Johannes Schläpfer, der Erbauer des Oberen Kaufhauses, dürfte also die Repräsentationsräume im Stile der Zeit mit den damals in Mode stehenden Tapeten ausgestattet haben.



Modeströmungen in Tapetenmotiven

Die Tapetenreste zeigen verschiedene Muster und Motive, die jeweils typisch sind für bestimmte Zeitepochen.

Akanthus - ein Barockornament

Die zuerst aufgetragenen, somit die ältesten Tapeten sind mit ornamentalen Akanthusblättern (eine distelartige Pflanze) bedruckt. Dieses Motiv gehört zum deutschen Barock (1660 bis 1800), es findet sich auch auf gemalten Holzdecken oder an Wänden..

Chinoiserie - Sehnsucht im Rokoko

Neben den Tapeten mit Akanthusmotiven finden sich Reste mit damals luxuriösen Tapeten im Stil der „Chinoiserie“, typisch für die Zeit des Rokoko, die an den Spätbarock anknüpft und mit chinesischen oder fernöstlichen Motiven - Alltagsszenen, Landschaften, Blütenranken - spielt. Ob die beiden Typen gleichzeitig oder nacheinander verwendet wurden, lässt sich nicht mehr fest stellen. Die Chinoiserie, also die romantisierende Verklärung fernöstlicher Lebensweisen vor allem in den gehobenen Schichten Europas hatte ihren Höhepunkt etwa zwischen 1800 und 1820. Dieses Tapetenmotiv ist im Kanton Appenzell Ausserrhoden erstmals hier dokumentiert.

Die Tapeten im Oberen Kaufhaus mit den chinesischen Motiven zeigen bei genauer Betrachtung, dass die Motive zumindest teilweise von Hand koloriert sind. Es scheint, dass einzelne Grundmotive mit Modeln gedruckt sind und dann zusätzlich „von Hand“ mit flächigem Farbaufstrich ergänzt wurden. Anhand der dargestellten Szenen und vor allem der Personen lässt sich schliessen, dass die Tapeten in Europa bemalt/bedruckt wurden:
Die Personen zeigen alle europäische Gesichtszüge: Augen, breite Gesichter.
Die dargestellte Frau trägt ein europäisches Kleid - Chinesinnen tragen keine Gürtel.
Zudem sind ihre Füsse mit recht klobigen Schuhen zu sehen, was völlig atypisch ist für originale chinesische Darstellungen: Frauen sind fast immer mit verhüllten Füssen dargestellt, und das chinesische Idealbild einer Frau ist eine schlanke, zierliche Frau.
Die Jagdszene ist wohl den beliebten Jagdszenen des Adels entlehnt, die Hunde sind europäische Jagdhunde.
Der dargestellte Drache ist ein häufiges Motiv auf Darstellungen „exotischer“ Länder oder als Illustration auf Landkarten.

Ornamente geometrisch geordnet - Biedermeier

Die „jüngsten“ Tapeten zeigen geradlinige, symmetrische Muster, sie sind typisch für die Zeit des Klassizismus und des Empire, ca. ab 1800 bis etwa 1830, oder des Biedermeiers 1815 bis 1848. Auch hier zeigt die genaue Betrachtung, dass wohl viel Handarbeit in der Ausgestaltung der Motive steckt. Möglich ist, dass die Farbe zumindest teilweise mit Hilfe von Schablonen aufgetragen wurde.


Text: Peter Abegglen


Quellen:
Geschichte der Tapete
Wissenswertes zur Geschichte der Tapete

Weiterführende Links:
Tapetenmuseum Kassel
Tapetensammlung App. A. Rh.
Tapetenmuseum Rixheim