Sonnhalde 2. Weltkrieg

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Sonnhalde 1910

Wie der 2. Weltkrieg die Sonnhalde prägte

Die Liegenschaft Sonnhalde liegt im westlichen Teil der Gemeinde, etwas abseits, jedoch sehr sonnig, wie der Flurname verrät. Um 1939 wurde das 300 jährige Kreuzfist-Bauernhaus von der Familie Scheuss bewohnt: Vater Ulrich (1907), Mutter Lina (1910) mit den ersten von vier Kindern Ueli(1935) und Lina(1936). Die kleinere Nachbarliegenschaft Neppenegg bewirtschaftete Ulrichs Bruder Johannes.

Militärdienst mit einschneidenden Folgen für die Familie

Am 1. Sept. 1939 wurde die allgemeine Mobilmachung durch den Bundesrat mit Trommelsignalen verkündet. Vater Ulrich musste noch am nächsten Tag in den Militärdienst einrücken. Sein Bruder Johannes und Mutters Bruder Jakob wurden wenig später ebenfalls in den Hilfsdienst aufgeboten. Nun war Mutter Lina mit Haushalt, zwei Kindern, zwei Betrieben und den Tieren allein. Wie soll sie das bewältigen? Wer wird die Kühe melken? Mutter Lina hatte mit melken keine Erfahrung. Zusammen mit dem erst 4-jährigen Ueli und guten Nachbarn als Unterstützung, bewältigten sie die anfallenden Arbeiten. Später konnte Schwester Trina und einige Arbeitslose zur Unterstützung gewonnen werden. Leider konnten diese weder melken noch mähen. Die erleichternde Ausnahme war im Sommer Herr Müller, der jedoch im Winter wieder in der Maskenfabrik im Bendlehn arbeitete. Oft arbeiteten Mutter Lina zusammen mit klein Ueli bis an die Grenzen ihrer Kräfte. Elektrischen Strom gab es auf der Sonnhalde erst um 1947.

Ueli 4 Jahre, Lina 2 Jahre
Heuertne mit Ochs

Ackerbau

Eine grosse zusätzliche Herausforderung war für Familie Scheuss während der Kriegszeit die Forderung vom Bund nach vermehrtem Ackerbau auf ihrem Betrieb. Von Jahr zu Jahr stieg der Druck, mehr Ackerfrüchte zu produzieren, bzw. noch mehr Land umzupflügen. Den Bauern bereitete dies grosse Mühe, da ihnen die Erfahrung und nötigen Kenntnisse, sowie Arbeitsgeräte fehlten. Zusätzlich stieg die ohnehin grosse Arbeitsbelastung nochmals stark. Das Klima war auf dieser Höhen- und Hanglage nicht hilfreich. Wertvolles Wiesland wurde nicht gerne umgepflügt. Deshalb wurde eher schlechter Boden umgegraben, der oft nur kirschgrosse Kartoffeln und kurze Aehren bescherte. Viele Böden, auch Streuwiesen mussten zuerst entwässert werden. Im Jahr 1942 pflügte in kurzen Militärurlauben, Vater Ulrich mit den vier Ochsen vom „Gschwende Jock“ oft bis tief in die Nacht. Sohn Ueli (7 jährig) marschierte neben dem Pflug und leuchtete ihm mit der Laterne den Weg. Einmal, nach erledigter nächtlicher Pflugarbeit, kam das Ochsengespann auf dem Heimweg in dunkler Nacht vom Weg ab und die Ochsen versanken z.T. bis zum Bauch im sumpfigen Boden. Nur mit grosser Mühe gelang es in stockdunkler Nacht, die erschöpften Tiere mit Brettern und Latten wieder aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Ein grosser Teil der arbeitsintensiven Ackerfläche wurde später der Industriefirma Kempf verpachtet. Sie stellten entsprechend Arbeitskräfte und Schulklassen kamen, die Kartoffelkäfer abzulesen. Da das Klima auf knapp 1000 m.ü.M für Ackerbau eher problematisch ist, musste Weizen und Gersten aufwändig nachgetrocknet werden. Mit Schlitten und Ochsengespann wurden die Garbenbündel im Winter bis zum Almenweg oder zum Schönenbühl, je nach Standort der Maschine, zum Dreschen gebracht. Dort erledigte eine elektrische Maschine, die direkt an die Starkstromleitung angeschlossen war, die Drescharbeit. Nach einer Zwischenlagerung in der Scheune beim Frohsinn, brachte man das Korn in die Mühle. Anschliessend wurde das Mehl wieder auf die Bauern verteilt. Diese brachten es zu den Bäckern. Ulrich Scheuss belieferte vier Bäcker, da diese auch zu seinen „Butterkunden“ gehörten. Oft reichte das Getreidemehl nicht und wurde von den Bäckern mit Kartoffelmehl ergänzt.

Rationierung

Ein zusätzlicher Arbeitsaufwand durch die Distanz zum Dorf war für die Familie Scheuss die Lebensmittel-Rationierung. Als Produzenten von Milch, Butter und Fleisch mussten sie für ihre Produkte Marken einfordern, diese in Listen aufkleben, Rapporte erstellen und rechtzeitig an die Verwaltung schicken. Jeden Monat gab es neue Karten mit anderen Farben. Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse verteilten die Aufforderungen im ganzen Dorf mit den Angaben, wann genau die neuen Karten auf der Kanzlei abgeholt werden können. Bemerkenswert ist, dass damals z.B. Kälbchen bereits nach 3 Wochen geschlachtet werden mussten. Begründung: zur Produktion von Fleisch wird einfach zu viel Milch gebraucht!

Schwere Erkrankung

1943 erkrankte Vater Ulrich im Militärdienst. Die Mutter erhielt ein Telegramm. Ihr Mann sei an Kinderlähmung erkrankt und liege im Spital Grabs. Da kurz vorher ihr Schwager wegen Kinderlähmung gestorben war, verunsicherte diese Mitteilung Mutter Lina enorm. Klein Ueli litt grosse Angst. Kommt Vater je wieder heim? Könnte auch noch Mutter erkranken? Mutter schickte den 8 jährigen Ueli barfuss mit einem Zettel zu Vetter Johannes im Almenweg. Dieser hatte bereits ein Telefon und sollte nach Grabs telefonieren, um mehr über den Gesundheitszustand und die Krankheit von Vater zu erfahren. Unterdessen wärmte sich Ueli im Stall die unterkühlten Füsse mit warmen Kirschensteinsäcken von Vetter Johannes für den Heimweg. An fünf folgenden Tagen rannte Ueli alleine bei kalter spätherbstlicher Witterung barfuss zum Almenweg. Leider erfolglos, da vom Spital keine telefonischen Auskünfte erteilt wurden. Man habe bereits in einem Brief informiert. Später stellte sich heraus, dass dieser leider fehl geleitet wurde und nie bei der hochschwangeren Mutter Lina eintraf. Sechs Wochen später wurde der fast vollständig gelähmte Vater von Grabs ins Spital St. Gallen verlegt. Kurz darauf wurde auf der Sonnhalde Tochter Anna gesund geboren. Mit riesiger Ausdauer, Kuraufenthalten und schmerzhaften Therapien glang es Vater Ulrich, die Kinderlähmung Schritt für Schritt zu besiegen. Mit bleibenden körperlichen Einschränkungen konnte er auf die Sonnhalde nach Hause kommen und Frau und Kinder endlich wieder unterstützen. Trotz der Teilinvalidität gelang es ihm, den Betrieb mit seiner Familie weiter zu führen. Nach dem Krieg wurde das Ackern schnell wieder aufgegeben. Dank der Bodenbearbeitung im Krieg war der Boden fruchtbarer und es konnte wertvolles Wiesland gewonnen werden. 1958 haben Ueli und Hanny Scheuss geheiratet und den Betrieb weiter geführt. Mit vereinten Kräften optimierten sie den Betrieb gewissenhaft weiter. Geprägt durch seine Jugendzeit, ersetzte Ueli allmählich die schwere körperliche Arbeit durch Maschinen und investierte sogar in einen modernen, kräfteschonenderen neuen Stall. Gemeinsam haben sie ihren sechs Kindern auf der Sonnhalde eine unbeschwerte Jugendzeit ermöglicht. Im Jahre 1986 haben sie den Betrieb als wirtschaftlichen und fortschrittlichen Landwirtschaftsbetrieb mit zusätzlicher Kälbermast der nächsten Generation übergeben.

Sonnhalde 1986









Text : Heinz Naef, Oktober 2017 Fotos: z.Vfg