Politische Bildung um 1828: Unterschied zwischen den Versionen

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Dennoch: Die Sonnengesellschaft ergriff weitere Initiativen zur Hebung der Bildung und Ausbildung, 1833 wurde eine Mädchenarbeitsschule gegründet, die während 22 Jahren bis zur Integration in das Gemeindeschulwesen von der Sonnengesellschaft geführt und unterhalten wurde.  
Dennoch: Die Sonnengesellschaft ergriff weitere Initiativen zur Hebung der Bildung und Ausbildung, 1833 wurde eine Mädchenarbeitsschule gegründet, die während 22 Jahren bis zur Integration in das Gemeindeschulwesen von der Sonnengesellschaft geführt und unterhalten wurde.  
Mit dem Unterrichtsfonds wurden die Weiterbildung von Lehrkräften und die Anschaffung von Unterrichtsmaterial während vielen Jahren unterstützt. Der Unterstützungsfonds für Lehrlinge und ähnliche Fonds schütteten von 1830 bis in die 1970er Jahre Beiträge aus.
Mit dem Unterrichtsfonds wurden die Weiterbildung von Lehrkräften und die Anschaffung von Unterrichtsmaterial während vielen Jahren unterstützt. Der Unterstützungsfonds für Lehrlinge und ähnliche Fonds schütteten von 1830 bis in die 1970er Jahre Beiträge aus.
[[Kategorie:Schule und Bildungswesen]]

Aktuelle Version vom 19. Februar 2023, 17:15 Uhr

Ein Hauptziel der Sonnengesellschaft war die Bildung. Einerseits ging es um Verbesserungen des Schulwesens und andrerseits um zusätzliche Angebote für Schulentlassene und Erwachsene.
Diese volksaufklärerischen Ideen sind u.a. begründet in der frühen Reformpädagogik (Rousseau und Nachfolger) und finden ihren Niederschlag in verschiedenen „Vorlesungen“, so hiessen damals die Vorträge, in der Sonnengesellschaft:

Datum Referent und Thema
11.11.1824 Vorlesung von J. H. Tobler: "Freiheit, Vaterland, Verfassung und Gesetze"
18.11.1824 Vorlesung von Gabriel Rüsch: Zschokkes Schrift “Über eine grosse Angelegenheit des Vaterlandes“ [1824 schlug Zschokke darin einen starken Staat mit einem siebenköpfigen Bundesrat an der Spitze vor.]
03.12.1824 Vorlesung von Gabriel Rüsch: "Über die Bildung der Kaufleute"
06.05.1825 Vorlesung von J.H.Tobler: "Über Landsgemeinden"
07.02.1828 Vorlesung von J.H.Tobler: „Zum Andenken Stubers u Oberlins [Joh. Friedr. Oberlin, Vordenker Kindergarten; Johann Stuber, Pfarrer und Pädagoge]


Ausgangspunkt für einen Zusatzunterricht in vaterländischer Geschichte und politischer Bildung für schulentlassene Jünglinge (und interessierte Mitglieder der Sonnengesellschaft) ist der Vortrag über die Zustände an Landsgemeinden, den J.H. Tobler am 6. Mai 1825 in der Sonnengesellschaft hielt. Wohl als Folge dieses Vortrags und eingehender Diskussionen entwarf Gabriel Rüsch einen „Plan“ für diesen Unterricht. Das Manuskript ist undatiert, dürfte aber spätestens im Herbst 1827 erstmals in der Sonnengesellschaft bekannt geworden sein.
Gabriel Rüsch stellt darin seine Vorstellungen von einem vaterländischen Unterricht und seine Erwartungen an die Kursbesucher ziemlich detailliert dar. Nebenbei erfährt man auch, wie Schulentlassene ihre freie Zeit sonst noch verbringen.

Beschluss für freiwilligen Staatskundeunterricht[Bearbeiten]

In der Versammlung der Sonnengesellschaft vom 8. Januar 1828 wurde, wohl basierend auf dem Plan von Gabriel Rüsch, das Vorhaben beschlossen und umgehend in die Tat umgesetzt.

Transkription aus dem Protokollbuch der Sonnengesellschaft, 1. Heft 1820-1830, Seiten 47 und 48. StAAr Pa.086-03-01:

den 3. Januar 1828 endlich wurde beschlossen, folgenden Plan, welcher schon früher zur
Sprache kam, ins Werk zu setzen, nähmlich jungen
Leuten, welche ordentliche Schulkenntniße besitzen,
mit der vaterländischen Geschichte näher bekannt zu machen,
insofern sie Lust dazu bezeigten.
Hr. Landsf. Tobler & Hr. Dr. Rüsch übernahmen es,
diesen wohlthätigen Unterricht unentgeltlich zu
ertheilen & zwar alle Dienstag von 6 bis 8 Uhr Abends
während den 4 Monaten Januar, Februar, Merz & April, in dem Local, welches Hr Gdr. Schläpfer in s. Hause anwies.
Den 15. Januar beginnt nun der Lesecours,
welcher von Jünglingen von 14 Jahren & darüber
besucht werden wird, auch werden Mitglieder
unserer Gesellschaft daran Theil nehmen.
Mit der Schweitzer Geschichte wird auch unsere
officielle Landes Geschichte, nebst deren Verfaßung
verbunden werden & auf solche Weise den jungen
Leuten rechte Begriffe über diese wichtigen
Gegenstände beygebracht. Vorzüglich soll auch bey den
Lernenden |: wie sich Hr. Dr. Rüsch in seinem Aufsatze
über das zu beginnendeWerk ausdrückt:| der Sinn
für alles Schöne, Edle & Gute geweckt werden und
Widerwillen gegen alles Unschickliche & Unsittliche,
gegen jede unnütze Zeitverschwendung & eigennützige
Verwendung der Kräfte tief eingeprägt werden.
Und so möge nun das edle Bestreben dieser beyden
Herren, welche wir mit Stolz in unserer Mitte zählen,
reife Früchte bringen & dadurch denselben die beßte Belohnung werden.
Allfällige Unkosten bestreiten die Schüler, oder nach Belieben
die Gesellschaft.

Mit dem Unterricht wurde am 15. Januar 1828 im Oberen Kaufhaus begonnen. In der Oktobersitzung (28. Oktober 1828) berichtete Gabriel Rüsch, dass der Besuch des Unterrichts in den Wintermonaten wesentlich besser gewesen sei als in den Sommermonaten und dass der Unterricht weiter geführt werde „insofern sich die Schüler fleissiger einstellten, wozu alle gute Hoffnung vorhanden ist“
Weil es im Kaufhaus zu kalt war, wurde der Unterricht für den Winter 1829 (Januar bis April) in die Schulhäuser Dorf (1846 abgebrochen resp. versetzt), resp. Erlen verlegt.

Einladung zum Unterricht 1829[Bearbeiten]

Einladung Jünglinge 1829.png

Das folgende Einladungsschreiben ging im November 1829 in Zirkulation an - ausgewählte - Jünglinge. Es ruft zum zweiten Mal zum Besuch des Kurses auf. Diejenigen, die sich zum Kurs verpflichteten, setzten ihre Unterschrift unter das Schreiben. Es handelt sich, ebenso wie beim Kurs im vorangegangenen Jahr, wohl mehrheitlich um Sprösslinge aus „besseren“ Häusern. Einige von ihnen hielten später eigene Vorlesungen in der Sonnengesellschaft. Die Einladung ist von Johann Heinrich Tobler persönlich verfasst und trägt die Unterschriften derjenigen, die sich - ob freiwillig oder doch eher genötigt von den Vätern - für den Kurs verpflichteten.




Zuschrift und Einladung an Jünglinge z. Teilnahme am Lesekurse für vaterl. Geschichte.
v. J. H. Tobler 1829
Liebe Jünglinge!
Ein Jahr ist nun verflossen, seit dem Anfang der Lesestunden in der Schweizer- und Appenzellergeschichte
Bei dem Entstehen dieses Jnstituts, zeigten sich gegen 20 junge Leute u. sie erschienen auch in den ersten
6 Monaten so zimmlich fleissig; bei Anhebung der 2ten 6 Monate aber traten ca. die Helfte aus mit der
Bemerkung: Dass sie den Sommer hindurch, nicht Zeit fänden die Vorlesungen zu besuchen, dass aber bis
Eintritt des Winters, sie wieder Antheil nehmen werden.

Nun ist die Zeit für das Wintersemester wieder vorhanden; mit dem ersten Dienstag des Monats November
geht dasselbe wieder an und wird jeden folgenden Dienstag bis Ende Aprill fortgesetzt.
Die Stifter der Anstalt sehen den Wiedereintritt derer die einsweilen austraten u. dem ferneren Besuch
derjenigen, die auch den Sommer über erschienen sind mit Vergnügen entgegen.
Kaum sollte es nöthig sein, euch geliebte Jünglinge zum Eintritt ermuntern zu müssen. Euer eigenes gutes
Gefühl wird euch dahin führen, das glauben wir fest. Wie solltet ihr den schönen Anlass versäumen wollen
Lehren und Kenntnisse zu erwerben, die eure Begriffe über Geschichte Verfassung, Gesetze und Rechte im
Vaterland feststellen u. berichtigen und euch in den Stand sezen als nützliche u. unterrichtete Männer, dem Vaterland auf diese oder jene Weise zu dienen.

Fühlet die Würde ein freier Mann zu sein u. zu werden, der vermöge unserer Verfassung zu allem ein
gültiges Wort zu reden, seine Oberen selbst zu wählen und Gesetze zu geben hat! - Wie kann aber das
richtig und zum Nutzen das Landes geschehen wann ihr keine richtige Kenntnis u. Ansicht der Dinge habt, u.
wie könt ihr besser zu den erforderlichen Einsichten gelangen als durch eine gründliche Kenntniss der
Geschichte des allgemeinen u. besonderen Vaterlands das ist: der Geschichte der Schweiz u. eures Kantons?

Auf denn! u. ergreifet die Gelegenheit mit Ernst u. Kraft; wenn nicht jetzt schon, doch gewiss mit jedem Jahr
mehr, werdet ihr den Nutzen eures Erstrebens einsehen u. euch darüber freuen!

Künftig wird ein Abend der Schweizergeschichte u. der Andre der des Landes gewidmet, bej durch gehung
der letzteren wird nun die Verfassung, die Rechte u. Befugnisse der Obrigkeit & des Volks, andere höchst
wichtige u. interessante
Erwerbungen vorkommen. Den ersten Dienstag wird Herr Dr. Rüsch mit der Schweizergeschichte im
Schulhaus bei der Kirche den Anfang machen, den 2. Dienstag alt Lsfdr. Tobler mit der Landesgeschichte im
Schulhaus zu Erlen u. so nachher weiter von Woche zu Woche. Wer nun beitretten will, der wird sich hier eigenhändig 6. Monate unterschreiben.

[Unterschriften]

Joh. Jacob Scherrer
Sonderegger SFL
Konrad Tobler
Arnold Rüsch
Jakob Rüsch
Bartho. Tanner
Johannes Schläpfer [Sohn des Georg Leonhard Schläpfer]
Rudolf Sonderegger
Konrad Tanner
Johannes Sturzenegger
Joh. Tobler
Johs. Eugster

Bescheidener Erfolg[Bearbeiten]

Die Kurse in vaterländischer Geschichte und „Staatskunde“ fanden erstmals im Winter 1828 (Januar bis April) statt und nochmals im Winter 1829.
Bereits an der Monatsversammlung vom 30. November 1830 bemerkte Johann Heinrich Tobler: „…, dass er seit einem Jahre keinen Unterricht mehr ertheilte, & noch ferners zuwarten wolle; indeme die Schüler nicht mehr so eifrig und empfänglich für die gegenwärtigen Landesgesetze seyen. Jedoch biete er immerhin Hand, wenn sich Schüler zeigen zum landesgeschichtlichen Unterricht, so wolle er unentgeltlich die Appenzellergeschichte mittheilen.“ Nach spätestens 4 Jahren mussten die Unterrichtsabende mangels Interesse eingestellt werden. Zuletzt waren es nur noch ein paar „ergraute Häupter“, die daran teilnahmen. Sowohl J. H. Tobler, als auch G. Rüsch mussten erkennen, dass die Jugend andere Interessen höher gewichtet als politische Bildung und Vaterlandsgeschichte.

Weitere Initiativen der Sonnengesellschaft im Bildungsbereich[Bearbeiten]

Dennoch: Die Sonnengesellschaft ergriff weitere Initiativen zur Hebung der Bildung und Ausbildung, 1833 wurde eine Mädchenarbeitsschule gegründet, die während 22 Jahren bis zur Integration in das Gemeindeschulwesen von der Sonnengesellschaft geführt und unterhalten wurde. Mit dem Unterrichtsfonds wurden die Weiterbildung von Lehrkräften und die Anschaffung von Unterrichtsmaterial während vielen Jahren unterstützt. Der Unterstützungsfonds für Lehrlinge und ähnliche Fonds schütteten von 1830 bis in die 1970er Jahre Beiträge aus.