Pest- und Coronapandemie

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Die Pest trat seit dem frühen Mittelalter in Wellen in Europa auf. Umfassende und weiträumige Ausbrüche sind in Quellen dokumentiert. Eine der grossen Pestwellen herrschte zwischen 1628 und 1632 in fast ganz Europa. In Venedig starben von 150’000 Einwohnern fast ein Drittel, 16’000 allein im Dezember 1630!

Bartholome Rechsteiner beschreibt in seiner um 1805 erstellten Chronik die Auswirkungen dieser Pestwelle im Appenzellerland und in Speicher. Er bezieht sich dabei auch auf die von Gabriel Walser verfasste Chronik von 1740.

Pest von 1629

Kurz zusammen gefasst berichten die oben erwähnten Chroniken die folgenden Ereignisse: Nach 1611 raffte im Jahr 1629 eine weitere heftige Pestwelle eine grosse Anzahl Leute dahin, in Trogen starben 1004, in Herisau 1409, in Speicher 230 Personen, was einem Drittel der Dorfbevölkerung entsprach!

Hohes Ansteckungsrisiko

Ein Mann sei am 20. Mai von Trogen nach St. Gallen gegangen, habe dort im Adler übernachtet, zeigte am Morgen danach Krankheitssymptome und starb noch am gleichen Tag. In der Zwischenzeit seien bereits die Wirtshausleute und deren Freunde angesteckt worden, einige verstarben kurz darauf. Die Seuche breitete sich in St. Gallen aus, innerhalb von neun Monaten starben in der Stadt 1630 Personen.

Quarantäne und Isolation

In St. Gallen wurde hinter der Berneck ein Lazarett errichtet, wo Fremde, welche aus Risikogegenden kamen, sich einige Zeit aufhalten mussten. In Speicher wie überall auch übernahmen Scheuetpfleger (Seuchenpfleger; in scheuet steckt das Wort scheu, was soviel wie „sich fern halten“ bedeutet. Red.) die Pflege der Kranken. Verstorbene wurden von eigens dafür angestellten Personen zur Bestattung auf den Kirchhof geführt.
Der öffentliche Gottesdienst (damals ein Muss für alle!) wurde für mehrere Wochen eingestellt, ebenso konnten die Wochenpredigten nicht gehalten werden. Später, als Gottesdienste wieder erlaubt wurden, wurde deren Besuch den Angesteckten verboten „um grösseres Übel zu verhüten“
Die Prediger durften nicht mehr zu Häusern gehen, wo Angesteckte waren. Die Kranken oder deren Angehörige, die den Seelsorger verlangten, wurden unter die Fenster getragen, der Pfarrer stand draussen, damit er sie „trösten und mit gebätt und ermahnung zum Tod vorbereiten konnte.“

Zahlen für Speicher

Mit den Einträgen in den Totenbüchern lässt sich der Verlauf der Epidemie nachzeichnen:
1628: 26 Todesfälle
1629: 230 Todesfälle
1630: 20 Todesfälle
1631: 10 Todesfälle
Im Pestjahr 1629 sind von Januar bis Juli zwischen 1 und 3 Todesfälle verzeichnet, im August 16, im September 46, im Oktober 82 und im November 58, im Dezember 9. Allein am 14. November wurden 6 Personen beerdigt.
Auch die Art und Weise der Einträge in den Totenbüchern zeugt von der grossen Zahl an Toten:
In den Jahren mit wenigen Toten wird für jeden Eintrag ein Satz formuliert, wie z. B. „Den 23. März umb acht Uhr vor Mittag starb Leonhardt Sonderer Heini Sonderers zu Bendle ehelicher Sohn, ward den 24. begraben“
Im Jahr 1629 lauten die Einträge kurz und knapp: „23: Jacob Niederer, Jacob Sondereker, Jacob Debus Oertles Söhnlein“

Totenverzeichnis 11. - 14. Okt. 1629
Totenverzeichnis 1631 1. Jan bis 14. Juli


















Coronapandemie von 2020

Vergleicht man den Verlauf und die Massnahmen der Coronapandemie 2020/2021 mit denjenigen der Pestpandemie von 1629, fällt auf, dass sie in weiten Teilen übereinstimmen: Hohe Ansteckungsgefahr und rasend schnelle Ausbreitung als Kennzeichen der Krankheit. Kontaktverminderung, Quarantäne möglicher infizierter Personen, Isolation Erkrankter, Lockdown und Pflege durch spezialisierte Personen sind dieselben Massnahmen, wie die heute noch angewandten. Sie haben zudem die höchste Wirkung in der Gesamtgesellschaft.
Heute ist das Gesundheitswesen wesentlich leistungsfähiger und zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Impfung, die dazu beiträgt, Krankheitsverläufe zu mildern und ev. sogar die Ausbreitung zu verlangsamen.

Unterschied Pest und Covid-19

Pest: Infektion durch das Bakterium Yersinia pestis, also eine bakterielle Infektion. Übertragung durch Flohbiss und auch durch Tröpfcheninfektion direkt von Mensch zu Mensch. Inkubationszeit zwischen wenigen Stunden und einigen Tagen, erste Symptome mit der Inkubation.
Covid-19: Durch das Virus SARS-CoV-2, also eine virale Infektion. Übertragung durch Tröpfcheninfektion oder das Einatmen von mit Viren behafteten Aerosolen, eher selten durch kontaminierte Oberflächen. Inkubationszeit fünf bis sechs Tage, erste Symptome zum Teil bis zwei Wochen nach der Inkubation.




Text: Peter Abegglen, März 2021