Kastenloch

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Rest. Kastenloch mit Goldachbrücke und Säglibachsteg
Kastenloch NLK 2010.jpg

Der Text trägt geografische und historische Beschreibungen zusammen. Zusätzlich haben Beobachtungen und Erinnerungen von Zeitzeugen Eingang gefunden. Obwohl das Kastenloch, resp. Chastenloch auf Gemeindegebiet von Rehetobel liegt, ist es für Speicherer ein beliebtes Ziel einer Wanderung oder einer Rast im Wirtshaus. Historisch liegt es am Weg von Speicher nach Rehetobel. Das Chastenloch liegt auf der rechten Seite der Goldach auf halbem Weg von Speicher, resp. Trogen nach Rehetobel. Der Name ist sowohl Flurname wie Bezeichnung des heutigen Ausflugsrestaurants. Das Haus war ursprünglich eine Mühle, später auch Bäckerei, dann Bäckerei und Gasthaus, und schliesslich das heutige Restaurant.

Namensherkunft und Bedeutung

Im Appenzeller Namenbuch von Stefan Sonderegger, sowie auf ortsnamen.ch, finden sich folgende Einträge:

Wortteil „-loch“

„loch“ bezeichnet in Flurnamen meist abfallende Wiesen, Bodenvertiefungen oder Mulden.

Wortteil „Chaste, resp. Kasten“

Chaste. zum Eindämmen von Bächen und Flüssen angebrachte kastenartige, mit schweren Steinen ausgefüllte und verpfählte Vorrichtung aus Baumstämmen.

Belege

Der älteste Beleg für den Namen Chastenloch findet sich im Appenzeller Urkundenbuch 1 Seite 460: 1460 gegen der fluͦ, die man nempt an dem Kasten. In dieser Urkunde ist damit ein Steilabsturz (Fluh) beschrieben, den man „am Kasten“ nennt.

Der Name Kastenloch findet sich auch in Kirchenbüchern, Schuldscheinen, Kaufprotokollen.

Andere Deutung

Auf der Homepage vom Restaurant Chastenloch findet sich eine Deutung, die zwar plausibel tönt, im Appenzeller Namenbuch von Stefan Sonderegger aber nicht vorkommt: Der Name Chastenloch stammt von der älteren Bezeichnung Kastler‘s Loch, als die Familie Kast im Chastenloch lebte.

Diese Deutung ist eher unwahrscheinlich, da im Chastenloch zur Zeit der Ersterwähnung (she. oben: 1460) wohl kaum eine bewohnte Hütte stand. Das wäre aber Voraussetzung für diese Art der Namensgebung.

Geologie

Das Chastenloch liegt im Molassebecken. Molasse ist Gesteinsmaterial, das bei der Bildung des Alpenreliefs vor rund 30 Mio. Jahren abgetragen und auf den älteren Kalkschichten (vor 150 bis 120 Mio Jahren) abgelagert wurde. Die Gletscher der Eiszeiten mit Beginn vor vor ca. 2.5 Mio. Jahren begannen darin die Grobform des heutigen Reliefs (Täler wie das Goldachtobel mit am Rand der Goldach sichtbaren Gletschertöpfen oder glaziale Ablagerungen wie die Aufschüttung auf der Trogen liegt) zu modellieren. Erosions- und Ablagerungsvorgänge der letzten Eiszeit, also vor 120’000 bis18’000 Jahren (Flussvertiefungen, Moränenwälle, Findlinge) führten zur heute sichtbaren feingliedrigen Reliefstruktur. Detailinformationen zu: Chastenloch von Gletschern geprägt

Wege und Stege

Die Hauptverbindungswege sind die Wege Richtung Rehetobel, Trogen und Speicher. Der Fahrweg von Speicher her traf im Kastenloch auf die kürzeste Verbindung zwischen Rehetobel und Trogen, den Kirchweg. Diese Verbindung kam erst auf, als Rehetobel nach Trogen kirchgenössig wurde, also ab 1461, (she. auch Ersterwähnung des Namens Kastenloch 1460!). Vor 1461 war Rehetobel nach Goldach kirchgenössig, anschliessend bis zur Gründung einer eigenen Pfarrei im Jahre 1669, besuchten die Rehetobler die Gottesdienste in Trogen. Dort bestatteten sie auch ihre Verstorbenen (der direkte Weg über den unteren und oberen Säglibachsteg, letzterer unterhalb Brändli, wird auch als Totenweg bezeichnet). Die drei Hauptwege zum Chastenloch hatten lokal eine wirtschaftliche Bedeutung für die Einwohner der drei Dörfer: An der Goldach befanden sich die Mühlen, in denen das Getreide gemahlen werden konnte. Eine ganzjährige Begehung war damit notwendig. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde es wichtig, Rohmaterial für die Weberei, resp. Stoffballen auf Saumpferden oder einfachen Fuhrwerken zu oder aus den Häusern der Weber zu transportieren.

Walserchronik

Auszug Walserchronik

Gabriel Walser beschreibt in seiner Chronik von 1768 den bis 1669 bestehenden beschwerlichen Kirchweg von Rehetobel nach Trogen. Der Kirchenbau in Rehetobel wurde auch mit diessem beschwerlichen Kirchweg begründet.

Rechsteinerchronik 1810

In der Rechsteinerchronik wird die Wegsituation im Gern mehrfach erwähnt. Sie war offenbar lange sehr schlecht: Vom Gern sagte der alte megler so über die 90 Jahr alt worden und circa 1754 gestorben, das er wohl wüse möge, das noch keine Stras in Gern hinunter geweßen, sondern nur ein Milch Weg oder Fusweg.

Bartholome Tanner (3. Kapitel: Strassen) 1853

Tanner beschreibt um 1850 eine Saum- und Karrenstrasse vom Kastenloch über Gern, weiter durch das Töbeli bis auf die Landstrasse (ungefähr heutige Buchenstrasse) und von da durch das Unterdorf ins Dorf und bis zum Moos (beim Rest. Krone). Er schreibt zusätzlich: „Ihr Ursprung muss wohl sehr alt sein, weil sie die nächste Verbindung zwischen Speicher und Rehetobel ist.“

Erste Brücke im Kastenloch 1661

Der Bau einer dauerhaften Brücke über die Goldach war ein grösseres Unterfangen. Wacklige Stege waren Vorgängerbauten und dienten nur dem Fussverkehr (Weg zu den Mühlen, Kirchgang). Erst im Jahr 1652 ordnete der Grosse Rat den Bau einer Prügelbrücke über den Bach (Goldach) an. Anordnen bedeutet in jener Zeit, dass die Anstösser im Gern diese Brücke zu bauen hatten. Die Brücke wurde aber erst 1661 gebaut, nachdem die Behörde gedroht hatte, sie auf Kosten der betreffenden Anstösser einem Unternehmer in Auftrag zu geben, falls der Anordnung nicht Folge geleistet werde. Die Wegführung im steilen Gelände blieb aber weiterhin und immer wieder ein Problem.

1736 wurde durch eine Kommission ein neuer Verlauf des Weges vom Kastenloch nach Speicher durch den Wald ausgesteckt. Die Regierung erliess im Jahr 1753 das Gebot, dass von Anfang des Wintermonats bis Mitte März „Männiglich bemeldeten vorderen Weg nach belieben und gefallen“ benutzen solle, im Sommer aber auf den 1736 ausgesteckten hinteren Weg verwiesen sei. Wäre aber der Sommerweg wegen zu grossen Schnees noch nicht befahrbar, so würde der Gebrauch des Winterweges noch 14 Tage, also bis Ende März, erlaubt.

Am 26. August 1800 erliess das Kreisgericht Teufen betreffend dieser Strasse folgende Weisung: „Der mehrmals erwähnte Weg soll ohne Anstand und Zeitversäumnis von den anstossenden Güterbesitzern in eine unklagbare Saumstrasse und zwar so hergestellt werden, dass im Notfall Produkte für Haus- und Mühlegebrauch, die sich auf einem Saum nicht transportieren lassen, anders, wie es dann der Notfall erfordert, fortgebracht werden können.“ Am 6. März 1810 trafen die Anstösser ein Übereinkommen, nach welchem der hintere Weg nur noch durch die dortigen Besitzer in den Monaten November bis Februar zum Holzführen benutzt werden konnte, der vordere Weg aber für jedermann offen war. Diejenigen, welche dadurch einer Last entbunden würden, müssten einem Sebastian Lutz 180 Gulden bezahlen und zudem 20 Tage Frondienst leisten, damit er den vorderen Weg für Saumpferde und Fussgänger unklagbar unterhalten könne.

Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, wo die beiden erwähnten Wege verliefen. Karten wurden zu jener Zeit keine erstellt. Zudem ist denkbar, dass Wege durch Rutschungen unterbrochen wurden und verlegt werden mussten. Inwiefern die Fuss- und Karrenwege für Fuhrwerke benützbar waren, ist schwierig zu beurteilen. Für den Warentransport dürfte das Säumen die wichtigste Art des Transports gewesen sein.

Stege

Bezeichnung Lage
Löchlisteg ehemaliger Goldachsteg zwischen Aachmühle und Zweibruggen
Habsetersteg ehemaligerGoldachsteg am Weg von Speicherschwendi nach Habset
Prügelbrücke ehemaliger Goldachsteg zwischen Gern und ehem. Zwirnerei
Goldachsteg etwas oberhalb der ehemaligen oberen Mühle
Säglibachstege unterer Säglibachsteg beim Restaurant Chastenloch
oberer Säglibachsteg zwischen unterem Gern und Brändli (Trogen)
Moosbachsteg oberhalb Chastenloch bei der Einmündung des Moosbachs in die Goldach
Oberer Säglibachsteg Seite Speicher
Oberer Säglibachsteg Seite Trogen












Hangsteg zwischen Zweibruggen und Kastenloch 2012

Hangsteg Kastenloch 2012 Aeschlimann.jpg

Beim Unwetter von 2002 wurde bereits ein grosser Teil des Wegs weggerissen, 2008 der Rest, es gab kein Durchkommen mehr. Ein Projekt mit zwei Brücken wurde aus Kostengründen nicht realisiert, stattdessen wurde der Hangsteg gebaut und im Mai 2012 eingeweiht.






Zweibrücken

Im Rahmen der zähen Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Strassenbau Rehetobel - St.Gallen (heutiges Trassee) Bauzeit 1841 bis 1848 ging der Unterhalt beider Holzbrücken (Oberachbrücke und Achmühle) in die Pflicht der Gemeinde Rehetobel über. Speicher nahm die Strasse im Klusgonten (heute Zweibrücken) über Speicherschwendi ab, derweil das "Land" (heute Kanton) die Steinbrücke im Klusgonten (Baujahr 1846, die heute noch vom ganzen Verkehr befahren wird) übernahm. Ausgenommen das Strassenstück auf Gemeindegebiet von Speicher (durch Speicherschwendi), hatte Rehetobel die gesamten Baukosten bis St.Gallen (damals Gemeinde Tablat) zu tragen, froh sein müssend, dass Tablat überhaupt die Durchleitung zuliess. Die Steinbrücke erhielt in den Jahren 1920-21 auf gleichem Brückenbogen eine Verbreiterung, weil wegen der Einführung des Postautoverkehrs, anfangs 1920, eine Strassenverbreiterung vorgenommen wurde. Diese Arbeiten wurden mit Notstandskrediten (grosse Arbeitslosigkeit in jenen Jahren) ausgeführt.

Neue Brücke bei Zweibrücken

Die ungünstigen geologischen Verhältnisse vor allem auf der Seite Speicher (Erdrutsche, Felsstürze, Geländeverschiebungen) führten zu einem Projekt einer Brücke, die wesentlich höher ansetzt und damit eine viel grössere Spannweite aufweisen wird.

Die Kantonale Tiefbaukommission hat an ihrer Sitzung vom Dezember 2011 eine plausible Brückenvariante zur Weiterbearbeitung empfohlen. Im Jahre 2014 entschied sich die Kommission für einen Neubau. Es liegt ein Bauprojekt einer neuen Brücke vor. Die Kredithöhe von rund Fr. 8.0 Mio. bedingt eine Volksabstimmung.

Wege auf Landkarten

Eschmannkarte ca. 1850 Siegfriedkarte ca. 1880

Eschmann Ausschnitt.jpg
Brücken Stege Wege ca1870.jpg

Die Eschmannkarte von ca. 1850 ist ungenau, sowohl bezüglich der Lage von Häusern, wie dem Verlauf von Wegen und Strassen. Korrekt dargestellt ist der Obere Säglibachsteg mit „Totenweg“


Die Karte ist genau. Grün eingezeichnet sind nicht mehr oder nur noch selten begangene Wege.








Situation um 2010 Neue Landeskarte der Schweiz.

Kastenloch NLK 2010.jpg















Häuser, Mühlen, Färberei, Bäckerei, Wirtschaft …

Abbauspuren in ehemaligem Sandsteinbruch

Das Kastenloch bekam seine Bedeutung einerseits durch die Verkehrslage, als „Knotenpunkt“ zwischen Rehetobel, Trogen und Speicher, wobei die Hauptachse Rehetobel-Trogen war, andrerseits durch die Mühlen. Die Mühlen an der Goldach (und zum Teil an ihren Nebenbächen) waren für die lokale Bevölkerung solange von Bedeutung, als das Mahlen von Getreide zu den regelmässigen Aufgaben gehörte, denn die Aufbewahrung von Mehl über längere Zeit war noch nicht möglich. Der Gang zur Mühle wurde von den meisten Leuten zu Fuss unternommen. Später waren die Wege für den Transport der Webereiprodukte wichtig (Garn und Stoffballen): Vom Fabrikanten zu den Heimwebern und zurück. Für den Häuserbau bediente man sich der anstehenden Sandsteine als Steinbrüche.

Mühle Kastenloch um 1663

1663 erbaute Rudolf Sturzenegger mit Erlaubnis der Obrigkeit und der benachbarten Mühlenbesitzer eine Mühle im Kastenloch. Diese Mühle war wahrscheinlich die auf dem Gebiet der Gemeinde Rehetobel stehende Mühle, welche am 20. Juni 1847 von einem Erdschlipf verschüttet wurde. Die Bewohner hatten die Rettung ihres Lebens nebst Gott ihrem Nachbarn, Bartholome Krüsi im Gern in Speicher zu verdanken, der „die Masse wanken sah und die Gefahrbedrohten eiligst zur Flucht antrieb. Kaum waren sie geflohen, stürzte das Haus zusammen.“ Wer heute im Gern steht, hat keinen freien Blick aufs Kastenloch. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren viele Wälder abgeholzt und zu Wiese oder Weide gemacht worden, so dass es durchaus möglich ist, dass besagter Krüsi das in Bewegung geratende Gelände entdecken und die Nachbarn gerade noch rechtzeitig warnen konnte. Bereits um 1820 „warf ein herabstürzender Fels, bei derselben Mühle den Stall über den Haufen“, schreibt Gabriel Rüsch um 1835. Die hier beschriebene untere Mühle befand sich am Standort der heutigen Wirtschaft Kastenloch; die „obere Mühle“ ist das zerfallende Haus auf der Trogner Seite.

Weitere Mühlen

Insgesamt standen an der Goldach und den Nebenbächen über ein halbes Dutzend Mühlen: Am Moosbach, am Mühlebach [Speicherer Mühle bei der ARA], an der Goldach beim Bädli, zwei im Kastenloch, oberhalb der Oberachbrücke (später Färberei, Hammerschmiede und Zwirnerei), Achmühle, unteres Löchli.(unterhalb der Achmühle)

Färberei/Stoffdruckerei um 1775

Bereits um 1775 wurde etwas oberhalb der Oberachbrücke an der Stelle einer früheren Mühle eine Färberei eingerichtet. Diese Färberei steht im Zusammenhang mit der aufkommenden vorindustriellen Weberei.

„Der Handel mit Mousselines wurde von «Gebrüder Schläpfer» erst 1771 aufgenommen. 1773 kaufte die Firma solche bei Bartholome Rechsteiner & Comp, in Speicher. (…) In der Ostschweiz gab es eine grosse Zahl von kleineren Stoffdruckereien. Sie waren in der Regel Lohndruckereien, welche vor allem Leinenmouchoirs mehr oder weniger gut bedruckten. (…) Die Firma Gebrüder Schläpfer liess bei Stoffdruckereien in St. Gallen, St. Fiden, Mörschwil, im Kastenloch in der Gemeinde Rehetobel, (…) Gewebe bedrucken bzw. kaufte von ihnen bedruckte Waren. …“ (aus Appenzeller Jahrbuch 1959)

Hammerschmiede und Zwirnerei

Die Färberei bei der Oberachbrücke wurde später umgewandelt in eine Hammerschmiede und dann in eine Zwirnerei. Überreste dieser Einrichtungen sind heute noch sichtbar. Die (um etwa 1945 verlassene) Zwirnerei brannte später ab und wurde abgerissen. Ein Wehr (Stauung für diese Betriebe) beim heutigen Bänkli am Weg Zweibruggen-Kastenloch wurde nach mehreren Hochwasser teilweise beschädigt, die Überreste wurden nach dem Hochwasser im Jahre 2002 mit Baumaschinen abgetragen, auch um dem Fluss bei Hochwasser mehr Raum zu geben.

Auszüge aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt:

Schw Handelsamtsblatt.png















Bäckerei und Wirtschaft

Seit April 2010 führen Kurt und Jacqueline Tschopp die Wirtschaft Chastenloch. An der Stelle der heutigen Wirtschaft stand wohl die 1847 zerstörte untere Mühle. Als Ersatz wurde das heutige Gebäude als kleine Mühle, Bäckerei und „Speisewirtschaft zur Goldach“ errichtet. 1885 kauft es Johannes Rechsteiner (Urgrossvater von Kurt Tschopp); ab 1921 übernehmen Fritz und Anna Walser-Rechsteiner (Grosseltern von Kurt Tschopp). Die Bäckerei wird 1947 aufgegeben. 1948 übernehmen Anny und Louis Tschopp, die Eltern von Kurt Tschopp das Kastenloch. Sie schliessen altershalber den Betrieb im März 1983. Anny Tschopp verlässt „ihr“ Kastenloch nach dem Unwetter von 2002, das ihren schönen und geliebten Garten zerstörte. Im April 2010 eröffnen Kurt und Jacqueline Tschopp das Kastenloch wieder.

Häuser im Gern

Die Liegenschaften an den Abhängen zum Kastenloch gehörten ursprünglich zu landwirtschaftlichen Betrieben mit Weidewirtschaft. Mit dem Aufkommen der Heimweberei gab es mehr Verdienst und auch entsprechend mehr (Aus-)bauten.

Rechsteiner erwähnt in seiner Chronik mehrere Häuser und Veränderungen, die aber den heutigen Liegenschaften nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können. Selbst Rechsteiner ist bei einigen Häusern, die er erwähnt, nicht sicher, wo sie standen. Beim Haus des unten erwähnten Ullerich Schläpfer handelt es sich höchstwahrscheinlich um das Haus mit der heutigen Adresse Gern 19.

Transkription aus der Rechsteinerchronik:

„der alte Hbtmann Hs Rechsteiner hab nur ein Stadel oder Sommer Hütten im Gern geabt und alles geweydet … … Es ist aber auch nach der untere Gern alwo auch 2 uralte Haüser gewesen, Lottlis gennant, ob dem Kastenloch, welches abgebrochen und wider neü aufgebauen [ca. 1764]. 1780 J. noch ein neü Haüslj davor gebauen am Weg. darob ist, Lottlis Hs Jörg alther, auch nicht ein alts Haus und 1790 J. auch noch ein neü Hauß gebauen vor dem Weg. des Ullerich Schläpfere de Michaelis hat bebrj & gehat [?], gekauft Des an Hans Kollers, de Entzes, ist auch ein uralts 1724.Ao. 1646 war ein Hans Lendenman, im Gern, welche von diesen Häusser oder Güther sie besaßen hab nicht erfahren könen, ohne Zweifel im unteren Gern oder mitleren Gern.“

Romantik pur

Das Kastenloch wird heute noch besucht wegen seiner wildromantischen Landschaft. Waren es früher wohl eher die schwierigen Wegverhältnisse, die den Menschen zu schaffen machten, ist es heute die wilde Natur, die eine geheimnisvolle Anziehungskraft ausübt.

Wesentlichen Anteil an diesem „zurück zur Natur“ hatte Johann Gottfried Ebel. Er ist einer der Pioniere des in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Fremdenverkehrs in der Schweiz. Johann Gottfried Ebel bereiste die Schweiz erstmals von 1790-1792, ab 1802 folgten weitere Reisen, 1810 liess er sich in Zürich nieder. Das Werk „Anleitung auf die nützlichste …“ ist das erste brauchbare Reisehandbuch für die Schweiz. Es beeinflusste Friedrich Schiller wesentlich für dessen „Wilhelm Tell“

Anleitung auf die nützlichste und genuss-vollste Art die Schweiz zu bereisen, Ebel, Johann Gottfried [1764-1830]; Escher, Gottfried von Zürich : Orell, Füssli und Compagnie, 1840 Das Werk wurde 1793 erstmals veröffentlicht.

Romantisierende Bilder

Die Bilder, die das Kastenloch zeigen, sind nicht aus der direkten Anschauung gewonnen, sondern nach Erzählungen von Augenzeugen in romantisierender Art verfertigt worden. Heute würde man es als „Fake“ bezeichnen. Zudem diente ein erstes Bild vielen andern Zeichnern als Vorlage für eigene Bildvarianten.

Kastenloch Gessner.png
Kastenloch um 1799.png

„Im Kasten-Loch bey Trogen, Cant: Appenzell“; Conrad Gessner, Maler, Radierer, Lithograph, 1764-1826; in Helvet. Kalender 1791; KB AR, KB-000265/305 darauf basierend: Escher „Appenzeller Milizen“ um 1800;KB AR, KB-000471






Inspiration zu künstlerischer Betätigung

Angehende Steinmetze haben sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts an den Sandsteinfelsen in der Gegend der ehemaligen Zwirnerei künstlerisch betätigt. Einige der damals entstandenen Skulpturen und Reliefs sind noch erkennbar, die meisten sind leider verwittert oder durch Vandalismus zerstört worden.

Hochwasser und Unglücksfälle (historische aus Bartolome Tanner)

Jahr Ereignisse
1673 riss die Goldach die meisten Brücken und Wehren mit.
1700 Am 8. August verursachte ein Wolkenbruch in den Gemeinden Speicher, Trogen, Rehetobel und Wald grossen Schaden. Die Goldach war seit 100 Jahren nie so stark angeschwollen. Im Trogener Tobel (beim Bad) stand das Wasser wie ein See. Im Kastenloch zerstörten die Wassermassen den Stall, in der oberen Aach das Wehr und die Säge und in der unteren Aach wurden Brücke, Mühle und Stall mitgerissen. Ganze Wälder, Grund und Boden sind abgerutscht. Dabei wurden auch viele Verkehrswege und Brücken zerstört. Vom Trogener Tobel bis zum Bodensee funktionierte keine Mühle mehr. Vielerorts fiel zudem starker Hagel.
1752 nach einem furchtbaren Gewitter in Trogen schwoll die Goldach so stark an, wie seit Menschengedenken noch nie. In Speicher vermochten die Dachrinnen das Wasser fast nicht mehr aufzunehmen.
1755 Weil es vom 15. auf den 16. März 30 Stunden ununterbrochen geregnet hatte, schwoll der Säglibach zwischen Trogen und Speicher furchtbar an. Konrad Geiger aus Walzenhausen verfehlte den Weg über den Bach, stürzte in die Fluten und fand den Tod.
1779 Am 18. Juli wurden die Speicher-Mühle (am Mühlebach) und die Aachmühle durch einen Erdrutsch, resp. durch eine Überschwemmung beschädigt.
1789 verursachte ein 58 - stündiger Regen enormen Schaden. Es gab Erdrutsche im Brand, Hörli, Bendlehn und Bletzentöbeli. Im Rick stürzte ein Stück Wald mit entsetzlichem Krachen zum Habsacher Steg hinunter.
1792 ereignete sich nach einem schwülen Pfingstmonat ähnliches. Um 16 Uhr kam plötzlich ein dichter Nebel, der sich als heftiger Wolkenbruch entleerte. Es entstanden viele Erdschlipfe, welche alle Mühlen an der Goldach zerstörten.
1847 gab es an der neuen Rehetobler - Schwendistrasse, im Meiersholz und im oberen Einfang bedeutende Erdrutsche. Ein solcher zerstörte am 20. Juni die sog. untere Mühle, an deren Stelle die heutige Wirtschaft Chastenloch steht.
1848 verschüttete ein Erdrutsch das untere Löchlein. [Mühle unterhalb der Achmühle]
2002 Im August Unwetter mit hoch gehender Goldach: Gartenanlage beim Kastenloch weggeschwemmt, Weg Zweibrücken-Kastenloch teilweise abgerutscht, Brücke beim Chastenloch und Steg über Säglibach weggespült, div. Erdrutsche. In der Folge Hochwasserschutzmassnahmen: Sprengung eines Felsens in der Goldach bei der oberen Mühle, Abbruch des Wuhrs, Uferbefestigung mit Blocksteinen beim Kastenloch.
2008 Hochwasser: Weg Zweibrücken-Kastenloch gänzlich weggespült, kein Durchkommen mehr bis 2012 der Hangsteg eingeweiht wurde.

Das Unwetter von 2002

Niederschläge von 21 Uhr bis 03 Uhr

Ein Bericht im Auftrage des Bundesamtes für Wasser und Geologie stellt die lokalen Niederschlagsverhältnisse des Unwetters in der Nacht vom 31. August zum 1. September 2002 dar. Es stützt sich auf die Wetterdaten von Meteoschweiz und die Niederschlagsmessungen der lokalen Messstationen und auf anschliessende Berechnungen. Vom schweren Unwetter betroffen waren Gebiete in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St. Gallen, unter anderen wies das Gebiet im oberen Goldachtobel (bei Trogen) mit die intensivsten Niederschläge auf. Der höchste Tagesniederschlag (24 Stunden) wurde mit 171 mm beobachtet, wobei innerhalb von 6 Stunden 141 mm oder 14 Liter pro m2 fielen.

Unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte (Häufigkeit von Starkniederschlägen, lokale Intensität, statistische Werte etc.) hat ein Tagesniederschlag von 171 mm für das obere Goldachtobel Hochwasser zur Folge, es wird statistisch gesehen alle 20 bis 60 Jahre vorkommen. Die obige Zusammenstellung der Hochwasserereignisse bestätigt diese statistischen Voraussagen.

Im Bericht wird als Zeitangabe die Weltzeit UTC angegeben. Für die schweizerische Sommerzeit sind zwei Stunden dazu zu rechnen. Der ganze Bericht (8 Textseiten + Abbildungen) findet sich hier.

Schwefelquelle im Kastenloch

Der Arzt Gabriel Rüsch beschreibt wohl als erster die Schwefelquelle im Kastenloch. Er hat sämtliche damals bekannten Quellen Inner- und Ausserrhodens beschrieben und auch bezüglich chemischer Zusammensetzung untersucht oder untersuchen lassen. Rüsch war ausserordentlich aktiv in der Sonnengesellschaft Speicher, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte. Insbesondere in Bildungsfragen war er aktiv und während Jahrzehnten prägten seine Vorträge die Tätigkeit der Gesellschaft. Rüsch war einer der Pioniere auf dem Gebiet der Balneologie (Heilung durch Heilwasser), er wurde später Bäderarzt in Bad Ragaz und publizierte ausgiebig auf dem Gebiet der Heilbäder.

Kastenlochwasser Gabriel Ruesch.JPEG

Eines seiner Hauptwerke ist eine Fortsetzung der Chronik von Gabriel Walser: Historisch-geographisch-statistisches Gemälde der Schweiz / Der Kanton Appenzell, historisch, geographisch, statistisch geschildert ...ein Hand- und Hausbuch für Kantonsbürger und Reisende St. Gallen; Bern: bei Huber und Compagnie, 1835;


Erläuterungen zum Text von Gabriel Rüsch
Schwefelsaures Natrum: Natriumsulfat
Sodiumchlorid: Kochsalz
Schwefelsaurer Kalk: Gips
Kohlensaurer Kalk: Calziumkarbonat
Kohlensaures Natrum: Natriumkarbonat oder Soda
Hydrothionsäre: Wasserstoffsulfid oder Schwefelwasserstoff (Geruch fauler Eier)

Angelica sylvestris: Waldengelwurz (eine Art Kerbel)

Unze: (Apothekerunze) 1 Unze = 31,1 Gramm

Eau de cachat entspricht etwa dem Eau minerale d’ Evian (Entdecker hiess Cachat).


Das Kastenlochwasser wird in weiteren Schriften (beiläufig) erwähnt: Es handelt sich wohl zumeist um Abschriften aus den Untersuchungen von Gabriel Rüsch:

Geographische Tabellen der Mineralwässer und Bäder in den deutschen Staaten, in Ungarn, Frankreich, Schweiz, Italien und Grossbritannien - mit einer Hydracologie begleitet, vorzüglich für Aerzte, Autor: Lavater, Johannes [1791-1857]; Verlag: Zürich : Schulthess, 1836

Jahrbuch 1855 der Naturforschenden Gesellschaft Zürich: Die Mineralquellen der Schweiz Autor: Escher, Gottfried von; Verlag: Zürich: Naturforschende Gesellschaft, 1855


Situation 2020

Hanspeter Sonderegger, als Fischer ein ausgewiesener Kenner der Goldach schreibt: Gemäss meinen Beobachtungen aus der Schulzeit vor ca 60 Jahren, als die Quelle noch nicht versiegt war, und den Erklärungen meines Götti, Peter Sonderegger-Däscher sel. befand sich die Quelle ziemlich genau vis-à-vis des Trogner Kastenlochs, rechtsufrig, ca. 2 m über dem Wasserspiegel an der Felswand, netzte aus einer lockeren Zwischenschicht zwischen oberem und unterem Sandstein die untere Sandsteinpartie bis hinunter ins Bachbett. Weshalb die Lage in den älteren Berichten immer wieder oberhalb der Moosbachmündung angegeben wird, ist unklar. Gab es etwa zwei schwefelhaltige Quellen?

Wie Hanspeter Sonderegger schreibt, ist die Quelle versiegt.

Spezielle Flurnamen

Flurnamen entstehen auf vielfältige Weise: manchmal sind es natürliche Besonderheiten, manchmal Besitzverhältnisse, manchmal ein Zweck, der einem Landschaftselement einen Namen gibt. Viele solcher Namen sind nur Eingeweihten, z.B. den an der Gegend Ansässigen bekannt. Oft haben auch Fischer bestimmten Stellen in Bächen und Flüssen, hier vor allem der Goldach, Namen gegeben, die zumeist nur ihnen bekannt sind:

Bezeichnung ungefähre Lage
Trölli (-kessi/-gonte) unterhalb Chastenloch
Mannegonte etwas weiter unten, heute zum Teil aufgefüllt
Knie heute aufgefüllt mit Sand
Wuhr «Staumauer» für die Zwirnerei (abgerissen, abgebrannt), beim Bänkli am Weg, es wurde „Opfer der Renaturierung nach Hochwassern“, vis à vis ein eindrücklicher hoher Felsen (Selbstmorde)
Prögelbrugggonten ehemals Brücke über die Goldach nach Speicher, Halden, vis à vis vom Steinbruch, oberhalb der Oberachbrücke
Klusgonten Engstelle, wo sich die Goldachbrücke der Zweibrücken über die Goldach spannt. Gleichzeitig der Name der Brücke
Wettmersgonte unterhalb Zweibrücken, ein Wettmer soll dort einst ertrunken sein
Löchlisteg oberhalb der Achmühle, eindrückliche Felslandschaft, früher ein Steg über die Goldach
Wiibegonte Rehetobelseite am Moosbach, bei ehemals oberer und unterer Moosbachmühle (Flurname Moos)
Eierwasser Stelle, wo die Schwefelquelle austritt (Geruch nach faulen Eiern); an der Goldach, etwas unterhalb der Einmündung des Moosbachs auf der rechten Seite der Goldach, ziemlich genau gegenüber der „oberen Mühle.“ Die Quelle ist versiegt (she. "Kastenlochwasser")
Totenweg direkter Weg von Lobenschwendi zum Chastenloch und weiter nach Trogen: ehemaliger Weg für Totentransporte zum Friedhof Trogen. Die Abzweigung nach Trogen befindet sich heute im Wald am Fussweg Richtung Speicher. Der (selten begangene) Weg führt weiter über den oberen Säglibachsteg am „Lehmhüsli“ vorbei via Brändli und Nideren zur Kirche Trogen

Danksagung, Quellen und Links

Die Zusammenstellung wurde ermöglicht durch die Mithilfe von Dr. phil. Heidi Eisenhut, Kantonsbibliothekarin KBib AR mit zahlreichen Hinweisen auf historische Quellen, von Arthur Sturzenegger, Rehetobel, Chronist für Rehetobel bei der Klärung kniffliger Fragen, von Peter Langenauer und Hanspeter Sonderegger, beide passionierte Fischer, mit ihren detaillierten Hinweisen zu Örtlichkeiten, von Dr. phil. Hans Aeschlimann mit Hinweisen zur Geologie und mit Bildmaterial. „Insider“-Informationen steuerten Anny Heim-Tschopp, aufgewachsen im Chastenloch, sowie Ruedi Pfeiffer, Anwohner im Gern bei.

Quellen

Lavater, Johannes, Geographische Tabellen der Mineralwässer und Bäder in den deutschen Staaten, in Ungarn, Frankreich, Schweiz, Italien und Grossbritannien - mit einer Hydracologie begleitet, vorzüglich für Aerzte, Johannes Verlag: Zürich : Schulthess, 1836

Escher, Gottfried von, Die Mineralquellen der Schweiz, Jahrbuch 1855 der Naturforschenden Gesellschaft Zürich, Zürich, 1855

Rüsch, Gabriel, Historisch-geographisch-statistisches Gemälde der Schweiz / Der Kanton Appenzell, historisch, geographisch, statistisch geschildert ...ein Hand- und Hausbuch für Kantonsbürger und Reisende; Huber und Compagnie, 1835 und Neuauflage 1859

Ebel, Johann Gottfried, Anleitung auf die nützlichste und genuss-vollste Art die Schweiz zu bereisen, Orell, Füssli und Compagnie, Zürich 1840

Appenzeller Jahrbuch 1959

Eschmannkarte ca. 1850

Siegfriedkarte ca. 1880

Neue Landeskarte der Schweiz auf Interaktive Zeitreise auf www.swisstopo.ch

Sonderegger, Stefan, Appenzeller Namenbuch

Schweiz. Handelsamtsblatt auf www.e-periodica.ch

Walser, Gabriel, Chronick

Rechsteiner Bartholome, "Sammlung der Geschicht und Begebenheit der alten Rood und Gemeinde zum Speicher, was dahin bezug und antheil habe, von alten zeiten hergenommen", 1810; Kantonsbibliothek AR Ms. 401

Tanner, Bartholome, Speicher im Kanton Appenzell. Versuch einer geografischen, historischen und statistischen Beschreibung der Gemeinde seit dem ersten Kirchenbau 1614 bis auf die Gegenwart


Nützliche Links

www.geoportal.ch

Eschmannkarte auf dem Geoportal

Siegfriedkarte auf dem Geoportal

Interaktive Zeitreise auf swisstopo.ch

Restaurant Chastenloch