Bruderhaus zu Bendlehn: Unterschied zwischen den Versionen

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<sup><small>3</small></sup>  <small>AUB I 1081, S. 543: (Regest [[Ablassbrief von 1472|Ablassbrief]] vom 12. 12. 1472)</small><br>
<sup><small>3</small></sup>  <small>AUB I 1081, S. 543: (Regest [[Ablassbrief von 1472|Ablassbrief]] vom 12. 12. 1472)</small><br>


<sup><small>4</small></sup>  <small>Vgl. Anm. 2 und 3; AUB I 1518, S.671 zum 28.9.1503 Spendenempfehlung zugunsten der Schwestern</small>
<sup><small>4</small></sup>  <small>Vgl. Anm. 2 und 3; AUB I 1518, S.671 zum 28.11.1503 Spendenempfehlung zugunsten der Schwestern</small>


<sup><small>5</small></sup>  <small>Karl Rieder (Hg.), Das Registrum subsidii caritativi der Diözese Konstanz aus dem Jahre 1508, in: FDA,35, 1907 S.1-108.</small> <br>
<sup><small>5</small></sup>  <small>Karl Rieder (Hg.), Das Registrum subsidii caritativi der Diözese Konstanz aus dem Jahre 1508, in: FDA,35, 1907 S.1-108.</small> <br>

Version vom 28. August 2018, 18:38 Uhr

Verschiedene Quellen berichten von einem „Bruderhaus zu Bendlehn“, das im 15. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Bendlehn, ev. im Röhrersbüel gestanden haben soll. Genaueres dazu hat 1994 Andreas Wilts zusammen getragen. Seine Quelle ist hauptsächlich das Appenzeller Urkundenbuch I. Band, bearbeitet von Traugott Schiess, 1913.

Besagtes Bruderhaus soll noch vor 1570 ins Dorf versetzt worden sein und als erste Herberge in Speicher gedient haben.


Bruderhaus im Bendlehn

Text aus: Andreas Wilts „Beginen im Bodenseeraum“ (Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen,1994, Seiten 312-313; Textgliederung leicht geändert)

Am 8. Juni 1393 beurkundete Abt Kuno von St. Gallen, dass er Bruder Haintzlin Stürman die Hofstatt unser frowen Buel zu Bendlehn verliehen habe, die von sieben Appenzeller Landleuten für ein Bruderhaus gestiftet worden war.1 Dabei setzte er folgende Bedingungen fest:

  • Nach dem Tode Haintzlins solle die Hofstãtte wieder an einen oder auch mehrere Brüder verliehen werden.
  • Jeder einzelne neue Bewohner müsse dabei dem Abt von St. Gallen Gehorsam geloben.
  • Falls sich aber einst keine Brüder mehr finden liessen, so dürfe die Hofstätte zu den gleichen Bedingungen an arme Schwestern übergeben werden.
  • Beim Tod eines Bruders oder einer Schwester gehöre der hinterlassene Besitz dem Haus und seinen Bewohnern.
  • Könne das Haus überhaupt nicht mehr mit geistlichen Leuten besetzt werden, so solle es mitsamt dem vorhandenen Zubehör an den Münsterbau zu St. Gallen fallen.

Ob Bruder Haintzlin Stürman einen oder mehrere Nachfolger fand, und wie lange noch die Niederlassung in Bendlehn Brüder beherbergte, lãsst sich nicht ermitteln.

Im Jahre 1472 war jedenfalls der Fall eingetreten, den schon die Belehnungsurkunde von 1393 als Möglichkeit vorgesehen hatte: das Bruderhaus war zum Schwesternhaus geworden. Es deutet manches darauf hin, dass Gertrud Hoczer, die damals in der Niederlassung lebte, hier erst vor kurzem eingezogen war und ein seit längerer Zeit verwaistes Anwesen übernommen hatte. Sie war im Jahre 1472 noch die einzige Bewohnerin. Bis 1483 war die Zahl der Schwestern auf vier angestiegen.2

Das Haus war offensichtlich heruntergekommen, weshalb am 12. Dezember 1472 drei Kardinäle auf Bitten Gertruds einen hunderttägigen Ablass für die Festtage Mariä Himmelfahrt und Geburt, Johannes Bapt., Maria Magdalena und Antonius gewährten, damit die Kapelle renoviert, der Gottesdienst gefõrdert, sowie liturgische Bücher und Gerãte angeschafft werden könnten.3

Das Schwesternhaus gehörte dem dritten Orden des hl. Franziskus an und wurde vom Terminierer der Konstanzer Minoriten in St. Gallen betreut. Schon die erste Schwester, Gertrud Hoczer, hatte diese Verbindung geknüpft.4 Da es unter den vielen Klausen, die sich in der Stadt St. Gallen und ihrem Einflussbereich drängten, zu den spätesten Gründungen zählte, vermochte es sich in der kurzen Zeit seines Bestehens nicht mehr recht zu entfalten. lm „Registrum subsidii" der Konstanzer Diözese von 1508 fand es denn auch im Unterschied zu den anderen Klausen in und um St. Gallen keine Beachtung.5

Die Schwesternzahl, die 1488 vier betragen hatte, ging bis 1514 wieder auf ein Mitglied zurück.6 Irgendwelcher Grundbesitz konnte offensichtlich nicht erworben werden. Die Schwestern blieben auf die typischen Erwerbsarten der Beginen angewiesen. So lãsst sich erschliessen, dass sie das Weberhandwerk betrieben.7 Daneben gingen sie auf Bettelgänge und wurden hierbei von Frater Hainricus Löchly, Terminierer und Visitator der Konstanzer Minoriten in St. Gallen durch einen Bettelbrief gefördert.8 Schliesslich nahmen sie, wie es sich sonst für die Beginen des Bodenseeraums nirgends belegen lässt, Kinder unter ihre Obhut. Am 2. Mai 1489 wurde ihnen etwa der Sohn des verstorbenen Pfarrers von Trogen mitsamt all seinen Gütern übergeben, damit sie ihn erzögen und in ein Handwerk einwiesen, mit dem er sich später selbst ernähren könne.9

Spätestens 1525, als Bendlehn reformiert wurde, ging das Schwesternhaus ein.

1 AUB I 149, S. 65 zum 8.6.1393 Stiftungsurkunde als Lehen

2 AUB I 1245,S.591 zum 18.5.1488. Ablassbrief des päpstlichen Protonotars Raymundus Peraudi für die vier namentlich genannten Schwestern in Bendlehn.

3 AUB I 1081, S. 543: (Regest Ablassbrief vom 12. 12. 1472)

4 Vgl. Anm. 2 und 3; AUB I 1518, S.671 zum 28.11.1503 Spendenempfehlung zugunsten der Schwestern

5 Karl Rieder (Hg.), Das Registrum subsidii caritativi der Diözese Konstanz aus dem Jahre 1508, in: FDA,35, 1907 S.1-108.

6 Dies lässt sich erschliessen aus der Jahrzeitstiftung, die Ludwig Zollikofer von St. Gallen im Jahre 1514 machte. Bedacht wurden hier fast alle Frauenklõster und Klausen in und um St. Gallen. Die Höhe der Zuwendung war dabei offensichtlich nach der Grösse der Konvente bemessen. Vgl. Josef Reck, Klause St. Jakob. Franziskaner-Terziarinnen, Ms. im Stiftsarchiv St. Gallen,

7 Vgl. Anm. 9
8 AUB I 1518, S.671 zum 28.11.1503.
9 AUB I 1251, S.592 vom 2.5.1489. Bei dem Handwerk kann es sich wohl nur um die Weberei gehandelt haben.

Begriffserklärungen

Hofstatt

Eine Hofstatt war im Hochmittelalter ein in eine Herrschaft (hier der Abt) eingebundenes Grundstück mit einem Haus (bestehend oder zu bauen) oder einer Hausgruppe (Wohnhaus und Nebengebäude), zumeist mit einem Garten, der mindestens der Selbstversorgung diente.

Beginen

Als Beginen wurden Frauen einer christlichen Gemeinschaft bezeichnet, die keine Ordensgelübde ablegten und nicht in Klausur lebten. Beginen führten ein religiöses, eheloses Leben in Gemeinschaft, in sogenannten Beginenhöfen oder -häusern.

Frauen, resp. Männer (=Begarden), die diese Lebensweise wählten, nannten sich aber auch einfacher Schwestern, resp. Brüder. Die Blütezeit des Beginenwesens fällt von der Mitte des 13. bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Während die Inquisition ab 1307 zahlreiche Beginen und Begarden als Ketzer zur Einmauerung und Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilte, erliess Papst Johannes XXII. am 7. März 1319 eine Bulle, in der allen Beginen und Begarden, welche die Regel des dritten Ordens des hl. Franziskus von Assisi (Bettelorden) annehmen wollten, Gnade zugesichert wurde. Die Bulle des Papstes Nikolaus V. vom 12. Februar 1453 bestimmte alle noch bestehenden Gemeinschaften zu Mitgliedern der dritten Orden.

Die Ursprünge des Klosters Notkersegg liegen übrigens in der gleichen Zeit: Am 17. August 1381 schenkten die Brüder Stäbiner drei Schwestern unterhalb der Hueb ein Grundstück zum Bau eines Schwesternhauses, die Hofstatt «in der tann» neben der «Nöggersegge», die die Brüder als Erblehen besassen. Bei den drei Schwestern handelte es sich um Frauen, die «in göttlichen Leben» immer auf der Hofstatt wohnen bleiben sollen. Die Bestätigung von Abt Kuno von Stoffeln vom 17. August 1396 nennt eine Ursula als «Meisterin». Es handelte sich also um eine Gemeinschaft von Beginen. Im Unterschied zu den Speicherer Beginen konnten diese Schwestern Grundbesitz u.a. in der Stadt erwerben.

Dritter Orden

Dritte Orden sind christliche Gemeinschaften, die jeweils gemeinsam mit einem Ordenszweig für Männer (erster Orden) und einem für Nonnen (zweiter Orden) eine Ordensfamilie bilden. Ihre Mitglieder werden auch Terziaren oder Terziarier genannt.

Minoriten

Bis zur Teilung des Franziskanerordens im Jahre 1517 ein Synonym für Angehörige des Franziskanerordens.

Terminierer

Auch der Franziskanerorden hatte vom Papst das Bettelprivileg, damit das verbriefte Recht zu betteln. Einzelne Brüder wurden dafür zum Almosensammeln von Haus zu Haus ausgeschickt. Der zuständige Bischof (hier Konstanz) teilte den Klöstern dazu einen festen Bezirk zu, der Terminei (lat. terminus) genannt wurde. Die mit der Almosensammlung beauftragten Ordensleute wurden als „Terminarier“ (terminarius) bezeichnet.

Raymundus Peraudi

Er begann 1470 mit seinen höheren Studien an der Universität Paris, 1476 wurde er Magister der Theologie. Im selben Jahr wurde er Domdekan des Domkapitels seiner Heimatdiözese Saintes und begann seine Tätigkeit als Ablasskommissar und theologischer Schriftsteller. 1493 wurde er zum Kardinal erhoben. Er war es, der die Konzeption zum Ablasswesen entwickelte, heutzutage würde man sagen, er war der Chefstratege des Vatikans für das Ablasswesen. Dies ermöglichte den systematischen Ausbau über Jahre, augenfällig durch europaweit feldzugartige Veranstaltungen für Jubiläumsablasse, Türkenkreuzzüge, Kirchenbauten usw. im Gebiet des römisch-katholischen Glaubens. Bis zu seinem Tode 1504 verfolgte er das durchgeplante Konzept in uniformer Weise, standardisiert und durch eine Massenproduktion vermittels gedruckter Ablassbriefe in die alltägliche Praxis umgesetzt.