Anhorn Chronik

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Appenzeller Chronik

Bartholome Anhorn (1566 - 1642) war von 1623 bis 1626 Pfarrer in Speicher. Er beschreibt in seiner ab 1625 handschriftlich verfassten Chronik auf über 400 Seiten das Land Appenzell mit Dörfern, Flüssen, Geschichte, den Gründen für die Landteilung und die Art und Weise, wie diese vollzogen wurde. Ebenso geht er auf Ereignisse der Eidgenossenschaft und der umliegenden Mächte ein. Als seine Quellen gibt er andere Chroniken, Berichte und Erzählungen von aus seiner Sicht glaubwürdigen Wissensträgern an. Die Sprache ist barock ausschweifend und trieft manchmal geradezu von Unterwürfigkeit, wenn er Regierungsmitglieder erwähnt, ebenso wenn er sich auf den Glauben beruft. Seine Berichterstattung ist klar geprägt von einer evangelischen Sicht der Geschehnisse.

Die umständliche und oft sehr salbungsvolle Sprache erschwert das Erkennen der Kernerzählung. Zudem ist zu beachten, dass viele Wörter und Ausdrücke, die er benützte, früher eine andere, zum Teil nur lokale Bedeutung hatten oder heute gar nicht mehr in Gebrauch sind. Ein ausführliches Kapitel widmet Anhorn dem Kirchenbau von Speicher. Die darin beschriebenen genauen und wohl der Realität entsprechenden Details sind darauf zurückzuführen, dass er viele damals beteiligte Zeitgenossen persönlich kannte und deren Erinnerungen und Erlebnisse verarbeiten konnte.


Umgeschriebener Text eines Chronikauszugs

Der folgende Text betrifft die Seiten 360 bis 375 der von einem „Schreiber Freitag“ kopierten Chronik, lehnt sich weitgehend an das Original an und versucht trotzdem, den Text möglichst nahe an die heutige Sprache zu rücken. Die Zwischentitel sind zusätzlich gesetzt, Worterklärungen in Klammer und kursiv, übrige Klammerausdrücke von Anhorn selber. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Seitenzahlen des Manuskripts von Anhorn, entsprechend sind sie auch in der wortgetreuen Transkription vermerkt.

Einleitung

Seite Kirchenbau Speicher

Von der Kirche zu Speicher, wann und wie dieselbe erbaut wurde, wer dazu Ratschläge erteilt und an dieses Gotteswerk beigesteuert hat. Wie diese Kirche nicht allein von den Mitlandleuten reichlich beschenkt, sondern auch von ihnen in ihren Schutz und Schirm aufgenommen wurde. Von den Pfarrherren, die dieser Kirche von 1614 bis 1625 vorstanden.

(360v) Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, Gott des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, Amen. Es sei allen und jedem Gegenwärtigen und Zukünftigen kund und zu wissen getan, was sie in diesem Brief sehen und hören werden:

Landteilung - Ursachen und Folgen

Alsdann suchte sich das ganze Land Appenzell, die inneren und äusseren Rhoden, nach den langen und vielfältig (aber mehrteils glücklich) geführten Kriegen im Jahre 1409 gemeinsam, wie als leibliche Brüder, unter ein einziges Landrecht, unter ein Banner, Stab und Siegel und auch unter eine Obrigkeit, ein Gericht und einen Rat zu stellen. Dabei wurde klar festgehalten, dass jeder Teil, die äusseren, wie die inneren Rhoden in Landesangelegenheiten, mit Besetzung der Regierung und mit Beratschlagung anderer wichtiger Sachen und Geschäfte gleichzeitig miteinander mehren und minderen (abstimmen), und dass kein Teil ohne den andern etwas Hochwichtiges vornehmen solle. Dann haben aber diejenigen von inneren Rhoden (welche mit aller Gewalt danach strebten, dass man alle Landsgemeinden, Räte und Gerichte allein bei ihnen besuche, damit sie die besten Regierungspersonen dem gemeinen Mann, wenn sie unter sich in Appenzell seien, aufschwatzen könnten) angefangen, die Abmachung zu missachten. Sie haben hinterrücks und zum Nachteil der äusseren Rhoden mit Zwang und Trotz während der letzten rund hundert Jahre angefangen, gegen die christliche evangelische Religion zu handeln mit der Folge, dass die äusseren Rhoden des Landes Appenzell und auch die Evangelischen in den inneren Rhoden sich notwendigerweise beklagen und rechtfertigen mussten. Die ganze Angelegenheit wuchs sich derart aus, dass die zwölf Orte der Eidgenossenschaft auf ihre ehrbaren Ratsbotschaften von 1524 hinwiesen, dass die Landleute ihre Streitigkeiten in abwechselnden Landsgemeinden begleichen sollten. Dabei sei es dann eben während längerer Zeit nicht geblieben und 1595/96 haben die inneren Rhoden ohne Erlaubnis, Wissen oder Wille, ja sogar gegen Ausserrhoden ein Bündnis mit Jahrgeldern (Vereinigung) mit dem König von Spanien geschlossen, das Herzogtum Mailand (das seit 1535 zur spanischen Krone gehörte) betreffend. Dieses Bündnis schlossen die inneren Rhoden als nicht mehr kündbar. Die äusseren Rhoden wollten dieses Bündnis aber auf keinen Fall übernehmen. Weil nun kein Teil dem andern nachgeben wollte, wurde durch Vermittlung und Unterhandlung durch die Eidgenossenschaft das Land Appenzell im Jahre 1597, nach 188 Jahren gemeinsamer Regierung, aufgeteilt und getrennt. Durch die Trennung nahm Ausserrhoden nicht nur die weltliche Macht in eigenen Hände, wie Gerichte und Rat zu halten, sondern entledigte sich wegen gegensätzlicher Auffassungen bisheriger Gepflogenheiten betreffend Landfrieden, Feiertagen, neuem Kalender, Chorgericht zu Konstanz (Ehe- und Sittengericht) und vieler anderer Dinge. Es nutzte die Freiheit, das Land dem heiligen Evangelium zu öffnen, es einzurichten und zu fördern. Sollte jemand dagegen handeln, solle er mit gebührendem Ernst gemahnt und bestraft werden. (362v) Hierauf hatten nach dieser Änderung der Machtverhältnisse die frommen, ehrenfesten, fürsorglichen, ehrsamen und weisen Herren Landammann und Rat der äusseren Rhoden des Landes Appenzell, meine gnädigen und gebietenden Herren und Oberen mit getreuer Hilfe der lieben Vorstehenden und Seelsorger im Lande angefangen, all das nach bestem Wissen und Gewissen anzuheben (einzurichten), das zur Förderung der christlichen evangelischen Religion gereichen sollte, und alle alten Missbräuche abzuwehren (abzuschaffen).

Kirchenrechtliche Verhältnisse in Speicher im 16. Jahrhundert

So fanden sich die grössten und offensichtlichsten Missstände in der Gemeinde oder Gegend von Speicher.(363) Jene Leute waren Pfarrkinder und damit kirchgenössig nach St. Gallen (Dies betraf aber nur denjenigen Teil der Bevölkerung, der nördlich vom Brandbach lebte, die übrigen waren nach Trogen kirchgenössig). Viele von ihnen wohnten so abgelegen, dass sie ungefähr zwei Stunden für den Kirchweg brauchten, der nicht nur weit war, sondern auch noch über Umwege führte. Die Gegend ist darüber hinaus so unwegsam, dass der Weg oft verschneit und mit Schneewehen bedeckt wird, so dass man weder zu Fuss noch zu Pferd vorwärts kommt. Aus diesem Grund und auch aus andern Schwierigkeiten ergab sich, dass die Herren Prediger von St. Gallen in den weit entfernten Gegenden weder Kranke noch von Gebresten geplagte, elende Menschen besuchen und mit Gottes Wort trösten wollten und noch viel weniger die Jugend im gläubigen Gebet (wie in diesem Land der Brauch) abhören und wo nötig unterrichten wollten. Denn im Speicher gab es noch keine Schule, um die Jugend am Ort selber anzuführen (zu unterweisen). (363v) Selbst wenn manch redlicher Mann mit seinen Kindern und dem Gesinde die Predigten von Gottes Wort gern und fleissig besucht hätte, so war es ihm doch nicht allein wegen der Weite und des Zustandes des Weges nicht möglich, sondern es war vielerorts deshalb nicht möglich, weil ein verarmter Hausvater weder sich noch seinen Kindern Kleidung verschaffen konnte, die genügend Schutz gegen Schnee und Kälte bot. Wie beschwerlich es zudem war, wegen zu viel Schnee oder schlechten Wegverhältnissen einen Leichnam etliche Tage im Haus behalten zu müssen, ist leicht einzusehen. Daneben waren auch die Predigtstunden in St. Gallen zu ihrem Leidwesen gar unpassend angesetzt. Dann gab es auch neben anderem nicht mindere Klagen und Beschwerden darüber, dass die Kirchgänger grausame Lasterworte und Schmach anhören und erdulden mussten von den Untertanen des Prälaten in St. Gallen über unsere christlich evangelische Religion. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten und anderer viel wichtigerer Ursachen haben nicht allein die Herren Hauptleute des Vaterlandes den Speicherern ernsthaft geraten und sie darum gebeten, eine eigene neue Kirche zu bauen und einen eigenen Prediger anzustellen (wozu sie ihnen anerboten, alle obrigkeitliche Hilfe zu leisten). Dies auch deshalb, weil recht viele aus Speicher sich bereit erklärten, neben ihrer möglichen Unterstützung mit Arbeitseinsätzen, Gut, Pferden und Wagen, namhafte Geldsteuern zu erheben (bezahlen?), (obwohl dies anfänglich auch nicht allen gefallen wollte).

Beschluss zum Kirchenbau

(364v) Dann wurde an einer Zusammenkunft (im Sinne einer Gemeindeversammlung) im Hof zu Speicher die Frage gestellt, ob sie ein solches Vorhaben anpacken wollten oder nicht. Dabei wurden sie von der Obrigkeit, vertreten durch die Herren Conrad Zellweger von Teufen und Johannes Schüssen (Scheuss?) von Herisau, beide neu und alt Landamman, Jost Jacob Landweibel und Hermann Zidler (Sidler?) von Herisau, damals Landschreiber, wie auch weiterer Herren ernsthaft ermuntert, ein solch christliches Werk an die Hand zu nehmen. Sie gaben das Versprechen ab, dass sie von andern evangelischen Städten und Orten bestimmt Steuergelder und Hilfe bekommen. Dies geschah dann tatsächlich auch, wie weiter unten vermerkt ist. So hat denn hierauf die ganze Gemeinde mit dem Stimmenmehr beschlossen, Gott dem Allmächtigen zu Ehren, auch zur Verbreitung seines heiligen Wortes, in seinem Namen dieses christliche Werk an die Hand zu nehmen und auszuführen. Zu diesem Vorhaben sind sie am 19. Juli 1613 nochmals zusammen gekommen um zu beraten, wie ein solcher Bau am besten ausgeführt werden solle. Die Werkmeister wurden bestimmt. Landammann Zellweger und Landweibel Jost Jacob ermahnten die Gemeinde, dass ein solcher Bau nicht ohne zusätzliche Kosten errichtet werden könne, es sei also nötig, eine allgemeine Steuer zu erheben. Mit Tat und Gut zu dienen anerboten sie sich ohne weiteres. (Im Gegensatz zur Erhebung einer allgemeinen Steuer) versprachen sie, jeder möge die beschlossene Steuer aus eigenem freiem Willen (365v) geben, ohne genötigt oder gezwungen worden zu sein. Die erste Hälfte sei auf den Lorenztag (10. August) 1614 und die andere Hälfte auf den Lorenztag 1615 zu leisten.

Freiwillige Steuern

Als allererstes versprach Hauptmann Welti Rechsteiner seine Hofstatt für die Kirche, Turm und Kirchhof, respektive Friedhof (unentgeltlich zu schenken). Da wo jetzt die Kirche steht, stand sein Haus mit Stadel, welches er schleifen liess und somit der Platz auf Begehren (mit Zustimmung?) der Gemeinde bewilligt wurde. Das Kirchendach und den Helm des Turms liess Hauptmann Hans Tanner auf seine Kosten machen, (inbegriffen) Schindeln, Nägel und Deckerlohn. (366) Dann haben, wie oben angedeutet, gemeine Gemeindegenossen freiwillig Steuern zu geben versprochen, nämlich wie folgt:

(Hier folgt die wohl lückenlose Liste aller Spender/innen) Hans Koller einhundert Gulden, Konrad Soneregger einhundert Gulden, Christen Bruderer einhundert Gulden, Christen Sturzenegger einhundert Gulden, Andreas Schittli zwanzig Gulden, Hauptmann Heini Tanners selig hinterlassene Witwe (Elsbeth Schirmer) einen fünzig pfündigen Brief mit Kräften auf Martini (11. November) 1613. Thoman Butz fünfzig Gulden, Hans Schwendimann sechzehn Gulden, Michael Rechsteiner dreissig Gulden, Jagg Schittli zwanzig Gulden, Leonhart Lopacher zwölf Gulden, Jagli Alther vierundzwanzig Gulden, Cunrad Fässt dreissig Gulden, Jakob Schwendimann fünfzehn Gulden, Ritz Graf vierzehn Gulden Hans Locher auf Hohrüti dreissig Gulden, Michel Höchner acht Gulden, Ulrich Lanker vierzehn Gulden, Andreas Graf zehn GuldenUeli Hochreutener fünfzehn Gulden, Hans Schwendimann in der Au acht Gulden Dieterich Schmidli vier Gulden, Melcher Gaff sechzehn Gulden, Zacharias Krüsi ein Gulden, Jagg Rüscher dreissig Gulden, Hans Schmidli achtzehn Gulden, Jagg Niderer fünfzehn Gulden und liess auf seinem Gut die Steine für die Mauern brechen, Ulrich Graf ein Gulden, Ernst Hochreutener fünfzehn Gulden, Heini Zürcher fünfzig Gulden, Ueli Schwendimann fünfzig Gulden, Baschli Rechsteiner fünfzig Gulden, Hans Rechsteiner fünf Gulden, Hermann Lanker Ritzen Sohn acht Gulden, Alt Herman Lanker fünfunddreissig Gulden, Heini Egger vier Gulden, (367) Jagg Hochreutener achtzehn Gulden, Heini Sonderegger vierundzwanzig Gulden, Hans Sonderegger zehn Gulden, Brosi Bodmans Frau fünf Gulden, Galli Zürcher vier Gulden, Michel Schmidlj fünf Gulden, Toni Graf einen sechzigpfündigen Brief mit Kräften auf Martini 1612 – Hans Würzer zwanzig Gulden, Hans Keller vierzehn Gulden, Hans Locher vier Gulden, Ulrich Lanker fünfzehn Gulden, Debus Graf zehn Gulden, Stephan Loppacher sechsundzwanzig Gulden, Toni Graf zehn Gulden, Joseph Graf fünfzehn Gulden, Baschli Tanner fünfzehn Gulden, Jung Herman Alther fünf Gulden, Peter Grünholzer zwölf Gulden, Ůli Schmidli acht Gulden, Hans Hochreutener sechs Gulden, Dyas Lanker sechzehn Gulden, Andres Loppacher vierzehn Gulden, Jöri Sonderegger zehn Gulden, Herr Sebastian Altherr von Trogen Seckelmeister, hernach Landvogt im Rheintal von wegen seines Gutes in Speicher fünfunddreissig Gulden, Uli Koller fünfzig Gulden, Heini Koller vierzig Gulden, Heini Eckers Kind zehn Gulden, Hans Lanker sechsundzwanzig Gulden, Hans Kellenberger sechs Gulden, Conrad Egger sechs Gulden, Heini Eugsters selig Kind acht Gulden, Alt Herman Alther zwanzig Gulden, Hans Alther dreissig Gulden, Uli Nisple zehn Gulden, Jagg Schittli Othmars Sohn sechsundzwanzig Gulden, Jagg Kellenberger der Küfer dreissig Gulden, Debus Hüttschwendiner (367v) 368 fünfzig Pfund Schillig Geld zu geben nach seinem Tod, laut einem Zedel, Michel Kellenberger acht Gulden, Hans Locher, genannt Rosina Hans zwölf Gulden, Gallus Sonderegger acht Gulden, Leonhart Krüsi vier Gulden, Conrad Encker ein Gulden, Michel Eggers selig Frau ein Gulden, Uli Kern, genannt List ein Gulden, Uli Urscheder ein Gulden, Uli Schwendimann ein Gulden, Hans Schwendimann am Flecken zwanzig Gulden, und Hans Tanner in Reutenen dreissig Gulden.

Das ergibt an freiwilligen Steuern eine Summe von 1727 Gulden an Geld und 160 Pfund Pfennig Schilliggeld, ohne die Hofstatt und Dach. (Bemerkung: 1 Schilling = 12 Pfennig; 1 Pfund = 20 Schilling; 1 Gulden ca. 50 Schilling) (368v) Diese hier aufgeführten Steuern hat Jacob Schwendimann auf Begehren einer Gemeindeversammlung eingezogen und zum Nutzen und Frommen der Kirche an Schilliggeld und Hauptgut (als Kapital) angelegt und verwendet.

Der eigentliche Bau

Darauf haben die Gemeindegenossen gemeinsam mit dem Bau angefangen: Steine brechen und Holz hauen. Baumeister (für das Mauerwerk) war Jacob Weyermann, genannt Koch, von St. Gallen. Sein Taglohn betrug dreissig Kreuzer, der seines Meisterknechts zwanzig, der gemeinen Knechte achtzehn und des Pflasterknaben vierzehn Kreuzer. Zimmermeister war Urban Kretz aus Hundwil, welcher auch täglich dreissig Kreuzer bezahlt bekam. Die Steine für den Bau sind teils in Jagg Niderers Weide in der Ebni, teils in Hauptmann Uli Krüsis Gut gehauen worden. Die Baumeister, die den Bau ausführten waren Hauptmann Wälti Rechsteiner, und Jacob Rüsch. Bauzahler war Hauptmann Hans Tanner auf dem Rüschen. Das erste Fuder Holz hat Hans Schwendimann und das erste Fuder Kalksteine hat Jagg Schittli, Lenharts Sohn geführt. Die Grundsteinlegung erfolgte am Osterzinstag, am 26 April 1614. Für die Bauzeit ist besonders anzumerken, dass am Anfang ein Viertel Kernen (ein jährlich zu entrichtender Zins, zunächst auf dem Grundstück haftend) elf Batzen galt, kurz danach vierundzwanzig Batzen. Zudem mussten die Kirchgenossen in der gleichen Zeit zwei Unwetter mit Hagelschlag erleiden. (369v) Am 9. Oktober 1614, acht Tage vor dem Gallustag, wurde die erste Predigt gehalten durch Jacob Bygel von Zürich, Dekan im Lande Appenzell und zu jener Zeit Pfarrer in Herisau. Am gleichen Tag trat Johannes Gmünder von Herisau als erster Pfarrer in Speicher seine Stelle an.

Kostenüberschreitungen

(370) Der Bau selber kostete nicht nur allein sehr viel: Der Bau von Kirche samt Turm zusätzlich der Abzahlung der Glocken, aber ohne die Fronarbeiten, belief sich auf 3200 Gulden. Darüber hinaus bestand die Notwendigkeit, einen Reservebetrag anzulegen, um davon jährlich die Besoldung für den Pfarrer bezahlen zu können. Deshalb haben sie nicht nur meine gnädigen Herren und Obrigkeiten um einen Beitrag und Unterstützung gebeten, sondern darüber hinaus untertänigst gebeten, man möge für eine Unterstützung bei den Kirchhören des Landes, wie auch den evangelischen Städten und Orten der Eidgenossenschaft schriftlich vorstellig werden. Dies zu tun anerboten sie sich gerne und überliessen ihnen (aus dem Landessäckel) als erstes dreihundert Gulden und einhundert Pfund Schilliggeld, ebenso für etliche Jahre eine jährliche Schenkung für ausreichende Einkünfte des Pfarrers.

Spenden der befreundeten Orte und Städte der Eidgenossenschaft

Hierauf hat die Gemeinde Speicher von den Orten der Eidgenossenschaft folgende Beiträge erhalten:

(Auch hier folgt wieder eine lückenlose Liste aller Spenden) Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich haben auf eine Anfrage von Hauptmann Hans Tanner und Hermann Zydler (Sidler), damals Landschreiber, hundert Gulden ihrer Münz gegeben. Auf der gleichen Reise bezahlten sie dem Glockengiesser Peter Füssli in Zürich die Glocken, pro Zentner vierzig Gulden, und brachten sie ins Land. Schultheiss und Rat der Stadt Bern spendeten hundert Gulden ihrer Münz, entsprechend achtzig Gulden „guter Münz“, sieben Gulden und zehn Batzen.

Statthalter und Rat zu Glarus einhundert Gulden ihrer Münz. Bürgermeister und Rat der Stadt Basel zweihundert Gulden ihrer Münz. Bürgermeister und Rat der Stadt Schaffhausen einhundert Gulden „gute Münz“. Bürgermeister, Rat und gemeinde Bürger der Stadt St. Gallen gaben einen fünfzigpfündigen Zinsbrief an einer Gült (Schuldverschreibung auf einem Grundstück), welcher jährlich acht Gulden Zins einbringt und an Bargeld 1360 Gulden. Junker Heinrich Schlumpf, ebenfalls aus St. Gallen, spendete einen silbernen Kelch, wie man sie benötigt, um das Abendmahl des Herrn auszuteilen. (vgl. Kunstdenkmäler der Schweiz, Appenzell Ausserrhoden, Band II, Seite 392, Abb. 420).

(371v) Die Stadt Winterthur spendete 26 Gulden und zwei Batzen, Altstätten im Rheintal 25 Gulden. Zudem ist von den Kirchhören, Rhoden und Gegenden des Landes, wie auch von besonderen Personen des Landes in zuvorkommender Weise gespendet und beigesteuert worden: Urnäsch 150 Gulden, Herisau 303 Gulden 45 Kreuzer, beide Rhoden Hundwil 110 Gulden, Kirchhöre teufen 110 Gulden, Kirchhöre Trogen 116 Gulden, Grub einen fünfzigpfündigen Brief, Kurzenberg 80 Gulden, von beiden Hirschbergen 30 Gulden, Oberegg 10 Gulden. Landweibel Jost Jacob 10 Gulden, Hans Höchner 30 Gulden, Othmar Schittli von Trogen 15 Gulden.

Somit errechnet sich, dass ausserhalb der Kirchhöre Speicher 3500 Gulden gespendet wurden (Kirchhöre und andere Steuern bringen 5227 Gulden). Dabei gilt es zu beachten, dass den Kirchgenossen vom Anfang bis zum Ende des Baus viele Ungelegenheiten widerfuhren, wo Hilfe, Rat und Unterstützung oft fehlten (wobei sie ohne Bedarf nie etwas für sich genommen haben). (375v) Am meisten Unterstützung erhielten sie von den Herren neu und alt Landammann Conrad Zellweger und Johannes Schüssen, auch bei Landweibel Jost Jacob und Landschreiber Hermann Zidler, welche ihnen nach bestem Vermögen in allen Fällen geraten und geholfen haben.

Dank und Ermahnung

So wurde denn dieser Bau im Namen Gottes angefangen und glücklich vollendet. Niemand ausser einem Pflasterbub, der aber selber schuld war, hat sich verletzt. Ein solches Werk ist den Zeitgenossen zu verdanken, welche es mit Worten und Werken, Rat, Spenden und Hilfe vollbrachten. Es soll auch von den Nachkommen nicht vergessen werden, welche Wohltat an Leib und Seele ihnen damit widerfahren ist, dass sie nicht allein das Wort Gottes so sicher, reuig, zu so guter Gelegenheit und passender Zeit ohne alle Gefahren hören können, sondern auch von allen oben erwähnten Schwierigkeiten befreit wurden.

Die Kirchgemeinde wird politische Gemeinde

Dann haben auch, (wie oben beschrieben) meine hochverehrten gnädigen Herren und Oberen Landammann und Rat der äusseren Rhoden des Landes Appenzell zu diesem christlichen Werke beigesteuert, geraten und geholfen. Auch kraft ihrer hohen obrigkeitlichen Gewalt haben sie ohne jemandes Einrede oder Vorwände den Kirchenbau bewilligt und wie die andern, die schon früher gebaut wurden ebenso privilegiert und ihrem Landesschutz unterstellt. So haben denn die gemeinen Kirchgenossen von Speicher, neben untertänigem Dank die vorerwähnten Herren Landammann und Räte mit Eifer und Ernst gebeten und darum bitten, ein eigenes Secret In-Sigel des Landes (Kleine Kopie des Landessiegels) zur Bestätigung der oben beschriebenen Dinge öffentlich an dieses Libell (Anhang zu einem Aktenstück) zu hängen, für sie und ihre Nachfahren anderweitig ohne Schaden. So haben denn auch, wie angezeigt, die ehrenwerten Herren Landamman Conrad Zellweger und Johannes Schüss, neu und alt Landamman, desgleichen Herman Zidler Landschreiber und Jost Jacob Landweibel, als damals regierende Landesamtleute, dieser Sachen wohlwollend zur Kenntnis genommen, auch geholfen und beraten. Darauf haben die gemeinen Kirchgenossen dieselbigen, als ihre wohlgesinnten Herren und Freunde, gebeten wahrhafte Zeugen der geschriebenen Dinge zu sein. So hat jeder als Zeichen der Beurkundung sein eigenes Siegel öffentlich an dieses Libell gehängt, für sie und ihre Erben überall und ohne Minderung. Gegeben am letzten Tag des Mai, als man zählte von der gnadenreichen Geburt unseres lieben Herrn und einigen Erlösers und Seligmachers Jesus Christus eintausend sechshundert und fünfzehn Jahre.

Erstes Pfarrhaus

Nachdem nun der Bau der Kirche zu Speicher glücklich vollendet war und noch viele Steine, Sand, Kalk und Holz übrig blieben, haben die Kirchgenossen gleich nebenan ein schönes Pfarrhaus mit schönen Stuben, Keller, Kammern, vier Gemächern gebaut, welches so zur Sonne gerichtet wurde, dass diese, wenn sie im Zwilling (Juni) steht und der Tag am längsten ist, das Haus rundherum bescheint, also am Morgen an der Seite gegen Sonnenaufgang anschlägt, so den ganzen Tag weiter geht und am Abend an der gleichen Seite bei Sonnenuntergang ihren Schein endet.

Pfarrherren

(375) Der erste Pfarrer des heiligen Evangeliums in Speicher war Johannes Gmünder (she. auch oben) von Herisau, welcher den Kirchendienst mit Fleiss und Treue von 1614 bis 1622 versah, bis er 1622 abberufen wurde nach Hundwil. Sein Nachfolger Stephan Knup von Zürich, war vorher während vieler Jahre Pfarrer und Dekan in Herisau und den äusseren Rhoden des Landes Appenzell in der Landteilung. Er hat zusammen mit Gespanen in den Verhandlungen mit dem Abt von St. Gallen wegen der Collatur (Recht eine geistliche Stelle zu besetzen) und auch mit den Papstanhängern in Ausserrhoden und ihren Protectoren und Procuratoren, massgeblichen Einfluss gehabt. Er gab dann den Kirchendienst in Herisau auf, hielt sich anderswo auf und wollte schliesslich wieder zurück ins Land Appenzell, wo er in Speicher als Pfarrer gewählt wurde. Er konnte seine Stelle allerdings nur während 18 Wochen versehen, ist er doch im Januar des Jahres 1623 seliglich aus dem Leben geschieden.

Darauf haben sie umgehend, mit dem Rat der Obrigkeit, Bartholome Anhorn von Maienfeld als Pfarrer angenommen, welcher dort 26 Jahre die Pfarrei versehen hatte und im Jahre 1622 von einem österreichischen Heereszug mit Frau und Kind samt allen seinen Zuhörern von Haus und Hof vertrieben wurde. Von der Kirchhöri wurde er im Januar 1623 gewählt.

Erstes Kirchenbuch Speicher Seite 5
Erstes Kirchenbuch Speicher Seite 6










Text: Peter Abegglen, September 2017

Quellen:

„Historisches Lexikon der Schweiz (Autor J.Jürgen Seidel)“

Wikipedia

Ergänzende Literatur: Lorenz Heiligensetzer, Ursus Brunold (Bearbeiter), Vita Bartholomaei Anhornii, Quellen und Forschung zur Bündner Geschichte, Band 32, 2015, ISBN 978-3-85637-477-8