100 Jahre Zentralschulhaus: Unterschied zwischen den Versionen

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* Dort befand sich zudem ein grosser Baderaum mit 24 Duschen für die Schülerschaft.  
* Dort befand sich zudem ein grosser Baderaum mit 24 Duschen für die Schülerschaft.  
* Jedes der drei Obergeschosse verfügte über je drei gut belichtete Klassenzimmer.  
* Jedes der drei Obergeschosse verfügte über je drei gut belichtete Klassenzimmer.  
* Für die gewerbliche Fortbildungsschule Speicher wurde ein spezieller Zeichnungssaal eingerichtet.  
* Für die gewerbliche Fortbildungsschule Speicher wurde ein spezieller [[ZHS-Zeichnungssaal.jpg|Zeichnungssaal]] eingerichtet.  
* Im Dachgeschoss wurde ein umfangreiches Naturalienkabinett mit Anschauungsmaterialien und Experimentiergeräten realisiert.  
* Im Dachgeschoss wurde ein umfangreiches Naturalienkabinett mit Anschauungsmaterialien und Experimentiergeräten realisiert.  
* Zum Schulhaus gehörte zudem eine Turnhalle mit knapp 300 Quadratmetern Grundfläche.  
* Zum Schulhaus gehörte zudem eine Turnhalle mit knapp 300 Quadratmetern Grundfläche.  

Version vom 24. Februar 2014, 14:25 Uhr

Staatsarchivar Dr. Peter Witschi hat für das Jubiläum "100 Jahre Zentralschulhaus" im April 2009 den folgenden Text aus verschiedenen Urkunden zusammen gestellt:

Bildungswesen, Heimatstil und Zentralschulhaus vor 100 Jahren

Wirtschaftliche Hochkonjunktur, ein beachtlicher Bauboom, politische Aufbruchstimmung und stattliches Bevölkerungswachstum prägten in Appenzell Ausserrhoden den Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1908 erhielt der Kanton eine neue Verfassung, die die Förderung des Erziehungswesens und der Volksbildung, sowohl der allgemeinen wie der beruflichen Bildung als Aufgabe des Staates erklärte. Welche bildungspolitischen Fragen waren vor hundert Jahren im Gespräch?

  • Im Winter 1910/11 wurde in Speicher ein erster Versuch mit einer mittäglichen Schülerspeisung durchgeführt.
  • Für das neue Lehrmittel „Aus frischem Quell“ – ein Beitrag zur Bekämpfung des Alkoholgenusses gingen kantonsweit 140 Bestellungen ein.
  • Der Schulinspektor stellte fest, dass bei der Wiedergabe des Gelesenen manche Lehrer schon in der Unterschule völlig auf den Gebrauch des Dialekts verzichteten.
  • Es wurde empfohlen, dem Schreiben noch intensivere Pflege zu widmen. Exzellente Leistungen seien nicht gerade häufig; hierin sei man im Vergleich zu früheren Generationen zu reinen Stümpern verkommmen.
  • Im Diskurs um den Stellenwert der Schulnoten wurde empfohlen, die Qualifikation „sehr gut“ nur mit grösster Zurückhaltung zu verwenden.
  • Fleissig wurde die Frage erörtert, auf welche Weise der heranwachsenden Appenzeller Intelligenz der Lehrerberuf wieder näher gebracht werden könnte.

Pädagogische Anliegen und Fragen der Schulentwicklung genossen vor einem Jahrhundert hohen Stellenwert. Sichtbarer Ausdruck dafür sind die damals realisierten Schulhausbauten, die sich am Konzept des Heimatstils orientierten, der als Reformbewegung über die Architektur hinaus vielfältige Impulse vermittelte. Markante Gebäude aus jener Zeit, damals gar als „Schulpaläste“ bezeichnet, gehören bis heute zum Ortsbild in Wolfhalden, Wald, Herisau, Teufen oder Walzenhausen. Dem vor 100 Jahren fertig gestellten Zentralschulhaus von Speicher kommt geradezu programmatische Bedeutung zu, und zwar sowohl bezüglich des Architekturkonzepts als auch mit Blick auf das Raumprogramm. In ruhiger, erhöhter und aussichtsreicher Lage realisierte Architekt Johann Staerkle (1873-1938) aus Rorschach das Speicherer Zentralschulhaus. Mit elektrischer Beleuchtung, Ventilationsanlage, Zent- ralheizung, englischen Wasserclosetts und Linoleum-Bodenbelägen waren modernste Errungenschaf- ten im Schulhaus präsent. „Die Ventilation wird mittelst Klappflügeln an den Fenstern und vergitterten Öffnungen hinter den Heizkörpern besorgt, letztere sind mit Mauerschächten in Verbindung, die im Dachraum ausmünden. In der Mitte des Daches erhebt sich eine Kuppel, welche die Kommunikation mit der Aussenatmosphäre herstellt“, so lautete der Kurzbeschrieb des innovativen und zugleich energiesparenden Lüftungskonzepts. Das Zentralschulhaus wartete demnach mit einer Infrastruktur auf, wie sie in Wohnhäusern erst Jahrzehnte später zur Norm wurde. Zugleich nahm der Neubau etliche Anliegen des Heimatstils als Lebensreformbewegung auf:

  • Das Erdgeschoss enthielt ein grosses Lokal für den Koch- und Hauswirtschaftlichen Unterricht der neugegründeten Volks-Kochschule Trogen-Speicher.
  • Dort befand sich zudem ein grosser Baderaum mit 24 Duschen für die Schülerschaft.
  • Jedes der drei Obergeschosse verfügte über je drei gut belichtete Klassenzimmer.
  • Für die gewerbliche Fortbildungsschule Speicher wurde ein spezieller Zeichnungssaal eingerichtet.
  • Im Dachgeschoss wurde ein umfangreiches Naturalienkabinett mit Anschauungsmaterialien und Experimentiergeräten realisiert.
  • Zum Schulhaus gehörte zudem eine Turnhalle mit knapp 300 Quadratmetern Grundfläche.

So standen die Gebäulichkeiten zugleich im Dienst der Volksschule, der Volksküche, des Volkssports und der Volkshygiene. Meine kleine Rückschau möchte ich beenden mit einem Zitat aus dem Schlussbericht der Landesschulkommission vom 8. November 1909: „Der ganze stilvolle Schulhausbau macht einen imposanten Eindruck. Es ist in der Tat ein Bau für die Zukunft; allen Anforderungen an einen solchen ist Rechnung getragen“. Mit den anstehenden Umbauten ist dafür gesorgt, dass das Speicherer Zentralschulhaus auch im 21. Jahrhundert eine Zukunft hat.

Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden / Peter Witschi, 24.4.2009