Verkehrsverein Speicher

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Der Anfang[Bearbeiten]

Statuten von 1898

Am 14.2.1898 wurde der Verkehrsverein Speicher offiziell gegründet, als Nachfolgerin des im Jahre 1897 gegründeten Verschönerungsvereins.
In den Stauten wurden die Ziele des neuen Vereins festgehalten:
"Der Verkehrsverein stellt sich zur Aufgabe, den Einheimischen sowohl, als namentlich auch den Fremden den Aufenthalt in der Gemeinde so angenehm als möglich zu gestalten."

Hotel Vögelinsegg3.jpg

Zur Gründung wurde eine Werbeschrift über Speicher erstellt, welche Gäste in unsere Gemeinde locken sollte.

Der anfängliche grosse Elan, der 1910 mit der Ersteigerung des in Konkurs geratenen Hotel Vögelinsegg gipfelte, sollte sich bald abflachen. Das Hotel wurde zunächst weiterverpachtet und später wieder verkauft.

Der Verein zählte während der Krise der 1930er-Jahre gegen 200 Mitglieder. Wirklich aktiv waren aber nur ganz wenige und die Hauptversammlungen boten teilweise wegen der spärlichen Beteiligung einen erbärmlichen Eindruck.

Aktivitäten[Bearbeiten]

Protokollbuch 1919-1942

Zu den Hauptaktivitäten des Verkehrsvereins (VV) gehörten von Anfang an die Organisation von Kurkonzerten und der Bundesfeier, aber auch die Herausgabe von Werbematerial, die Erstellung und Pflege von Ruhebänken sowie die Pflege von Spazierwegen und Anlagen.

Im Protokollbuch von 1919 – 1942 wurden die diversen Schwerpunkte festgehalten.

Die Badeanstalt[Bearbeiten]

Einladung zur Versammlung

Da andernorts Badeanstalten wie Pilze aus dem Boden schossen, versuchte der VV im August 1929, zusammen mit Sonnengesellschaft, Turnvereinen, Schützengesellschaft, sowie dem Handwerker- und Gewerbeverein, die Einrichtung eines solchen Wasser-, Luft- und Sonnenbades näher zu bringen. Eine Badekommission sollte einen Platz dazu im Dorf finden. Im Rüschen wollte man ein Stück Land erwerben, doch die Rüschenverwaltung lehnte das Anliegen in der Verhandlung ab.
So verzögerte sich diese Angelegenheit immer weiter, bis 1935 Gemeindehauptmann Konrad Schittli mit der Aussage: "Die ungünstigen Zeitverhältnisse würden es nicht erlauben, die finanzielle Mittel bereitzustellen" der Idee einer Badeanstalt den endgültigen Todesstoss gab. Man wollte lieber den Promenadenweg vom Durchbruch bis zum Waisenhaus den Vorrang geben.

Birt-Schanze[Bearbeiten]

Skischanze Birt

1929 beschloss der VV, die in die Jahre gekommene Birt-Schanze nach den modernsten Anforderungen neu zu erstellen. In Zusammenarbeit mit dem Skiclub Trogen war die Finanzierung gesichert. Man erhoffte sich für den Skisport einen Nutzen für die Zukunft.
Speicher galt dennoch nie als eigentlicher Wintersportort, obwohl man sich um den Skibetrieb auf der rund einen Kilometer langen Piste Birt - Rank kümmerte. Die ab 1951 elektrisch beleuchtete rund 1 km lange Piste vom Birt bis zum Rank wurde bei geeigneter Witterung durch einen Pendeldienst mit einem Einzelmotorwagen der Trogenerbahn von der Haltestelle Rank zur Vögelinsegg erschlossen.
Insgesamt aber beklagte sich der VV immer wieder über fehlende Sportanlagen wie Tennis, Schwimmbad und Minigolfanlage, sowie einen Campingplatz. Auch das Fehlen geeigneter und einigermassen komfortabler Ferienwohnungen wurde bemängelt. Viele interessierte Gäste mussten abgewiesen werden.

Sommerkonzerte[Bearbeiten]

Die Sommer- oder Kurkonzerte verursachten dem VV immer wieder Probleme. Man konnte es nicht allen recht machen, sei es wegen der Auswahl der gebotenen Musik, oder wegen der anfallenden Kosten. So schrieb der Aktuar im Protokoll vom 10. Mai 1932: "Wirklich ist kein «Ämtli», so mit Tücken gespickt wie dieses. Denn es ist wirklich schwer, und man weiss manchmal wirklich nicht, wie man sich wenden und drehen soll, um es allen Leuten recht zu machen. Da wünschen wir, dass ihm in diesem Jahr die wiederholt vorkommenden Unliebsamkeiten in dieser Sache erspart bleiben, denn Arbeit zu leisten für andere und dafür auf diese Weise Dank einstecken zu müssen, wäre nicht jedermanns Sache."
Im Protokoll vom 18.2.1952 sind die Sommerkonzerte wiederum ein Thema.

Ruhebänke[Bearbeiten]

Laut Protokoll vom 26. Mai 1932 gibt Herr Altherr ausführlich Auskunft über den Zustand der Vereinsbänke. Der Aktuar schreibt: "Vor allem danken wir ihm für die Arbeit, die er bei der Inspektion dieser Bänke leistete, bestens. Früh morgens, wenn andere aufstanden und glaubten, die ersten zu sein, kommt er schon von der Bänklireise nach Hause. Hoffentlich hat er sich dann ein recht gutes Morgenessen schmecken lassen. Der Zustand der Bänke wird als befriedigend bezeichnet, ausser einem Bank im Horst, bei welchem die mittlere Stütze ersetzt werden muss. Ausserdem wird von ihm das Bemalen des Wegweisers bei der Rondelle empfohlen. Weiter wird das Neubestreichen von 4 Bänken bewilligt und dies unserm Herrn Altherr übertragen, es in Ordnung bringen zu lassen."

Einer, der zwischen 1984 und 2017, also während 33 Jahren, die über 70 Ruhebänke Speichers im Auftrag des Gemeindebauamtes bestens instandgehalten hat, ist Peter Baumgartner. Der gelernte Zimmermann äussert sich positiv zu seiner langjährigen Arbeit. "Vandalismus hat mir nur in ganz wenigen Fällen Arbeit aufgehalst. Vielmehr waren es Witterungseinflüsse oder natürliche Abnützung, die Reparaturen unumgänglich machten", blickt er auf seine Tätigkeit zurück.

Wenn es Bretter zu ersetzen gab, mussten die neuen zuerst bemalt werden, ehe man sie montieren konnte. Diese Malerarbeiten werden seit einigen Jahren in der Stiftung Waldheim Rehetobel ausgeführt.

Rondelle[Bearbeiten]

Rondelle um 1930.JPEG

Am 5. Mai 1928 orientierte der Präsident über den Ankauf einer Rondelle für den Horst. Der Verkäufer des Lusthäuschens, Hauptmann Konrad Schittli als Freund des VV hatte einen annehmbaren Preis angeboten. "An einem der schönsten Orte der Gemeinde werde die Rondelle eine wunderbare und notwendige Sitzgelegenheit sein."
Der Ankauf wurde einstimmig beschlossen.

Überwirten und Autoverkehr[Bearbeiten]

Man versuchte stets, den Bewohnern Speichers ein angenehmes Leben zu ermöglichen, vor allem wenn es um Bussen wegen des «Überwirtens» ging. So steht im Protokoll vom Dezember 1938:
"Alsdann kam das "Überwirten" zur Diskussion. Diese würde recht gut benützt. Fälle aus der Schwendi und andere wurden vorgebracht. Begreiflicherweise haben sich die Herren Wirte besonders dafür eingesetzt, dass vom Gemeinde-Polizeidepartement, wegen Erteilung von Verlängerungen etwas mehr Nachsicht an den Tag gelegt werde. Man wurde sich einig, dass unser Präsident die Sache unter der Hand zu ordnen suche."
Auch der Autoverkehr und die damit verbundenen Bussen waren im VV ein Thema. Im Protokoll vom 16. März 1931 findet man folgendes zur sogenannten Dorf-Autofalle.

1. Augustfeier[Bearbeiten]

Eine der grössten Aufgaben des VV war jeweils die Organisation der 1. Augustfeier. 1939 war die Weltlage sehr angespannt, trotzdem hielt man an der Bundesfeier fest.
Sitzung vom 12.Juni 1939, Traktandum Bundesfeier:
Als Platz kommt nur das Schulhaus in Frage‚ bei schlechtem Wetter die Kirche. Beginn wie früher, als Redner soll Prof. Eugster angefragt werden. Mitwirkende Vereine : Musikgesellschaft, Turnverein, Gesangsvereine, evtl. beim Gesamtchor noch die Eintracht.

Der Leiter des Fackelzugs ist Jakob Schläpfer (Chottlebuuch) mit Zuzug von andern Lehrern. Funken wird in der Liegenschaft von Gantenbein, Hohrüti, dazu ein Feuerwerk auf Vögelinsegg.
Lehrer Otto Kast wünscht sich an Stelle des schlechten Cliché des letztjährigen Programmes 1938 ein Schweizerkreuz und kein halbes Hakenkreuz!

Kurtaxe wird eingeführt[Bearbeiten]

Dankeskarte für Wehranleihe

Damit man vom Touristen-Boom profitieren konnte, führte die Gemeinde 1930 eine Kurtaxe ein. Die Zahl der Logiernächte stieg bis 1935 auf über 7000 an, was auf positive Presseberichte und Werbung in den auswärtigen Appenzeller Vereinen zurückgeführt wurde. An einer der Hauptversammlung des VV wurde der "Tourismus als Lebensfrage in diesen schwierigen Zeiten" bezeichnet und betont, Landschaft, Verkehrswege und Infrastruktur seien dazu die notwendigen Voraussetzungen.
Man setzte auch auf Tagestouristen, die nach einem Besuch der Stadt St.Gallen mit einen Ausflug mit der Trogenerbahn nach Speicher angeregt würden, hier einmal länger zu verweilen. Im Winter war man auf Schnee angewiesen. Fehlte dieser, wirkte sich das sehr rasch auf Übernachtungen, aber auch auf Umsätze des Gastgewerbes und der Läden aus.
Als wichtige Attraktivitätssteigerung betrachtete man die Gestaltung eines Platzes auf der Vögelinsegg. Der Steinbruch beim Vögelinsegg-Durchbruch und der Ablagerungsplatz für Bruchsteine sollten verschwinden und dem geplanten Tobler Denkmal Platz machen.
Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurden 16000 Logiernächte verzeichnet. Damit stand Speicher an dritter Stelle in Ausserrhoden, hinter Heiden und Herisau. Nach dem Krieg erstellte der VV, der inzwischen noch 180 Mitglieder zählte, einen neuen Prospekt.

Post-Werbstempel

Auch das kantonale Fremdenblatt "Das Appenzellerland" wurde als Werbeträger benutzt, selbst auf einen Poststempel "Speicher, Ferienort, 936 Meter über Meer" konnte man zählen. In den ersten Nachkriegsjahren lief es mit dem Tourismus recht gut. Die Belegung der Betten lag 1947 bei 90%, dies mit rund 31000 Logiernächten. 1950 wurden noch 22000 Logiernächte gezählt, was 2500 Franken an Kurtaxen einbrachte.
Anfang der 1950er-Jahre entwickelte sich der Fremdenverkehr rückläufig, was vor allem damit zu tun hatte, dass die Schweizer begannen, vermehrt ins Ausland zu reisen.

Ein Thema, das in den Protokollen des VV immer wieder auftauchte, waren Probleme mit Liegenschaftsbesitzern wegen des Ausbaus des Wanderwegenetzes. So musste ein schon längst geplanter Rundweg um das Birt immer wieder hinausgeschoben werden.

Wichtig für den Fremdenverkehr war die Renovation des Hotels Appenzellerhof, welches als das "Dorfhotel" galt. Die eigentlichen Touristen-Zulieferer waren jedoch die Kurhäuser Beutler, Vögelinsegg und Erholungsheim «Libanon».

Zum Kurort ernannt[Bearbeiten]

Durch Regierungsratsbeschluss wwar Speicher 1967 offiziell zum Kurort erhoben worden. Aufgrund positiver Presseberichte begannen selbst englische Schulen sich für Erholungsaufenthalte in Speicher zu interessieren. Eine Studie der Hochschule St.Gallen hatte ergeben, dass die Gästestruktur einseitig auf Kur- und berufstätige Dauergäste ausgerichtet war und nur etwa 4 fünf Prozent als eigentliche Feriengäste bezeichnet werden konnten. Mitverantwortlich wurde dabei das Fehlen eines neuen, modern eingerichteten Mittelklassehotels mit etwa 80 Betten gemacht.
Bewegung in die Diskussion um allfällige zusätzliche Gäste kam Anfang der 1970er-Jahre auf, als das Hotel Vögelinsegg an die Familien Beutler und Müller verkauft wurde. Diese entwickelten hochfliegende Projekte mit einem attraktiven Neubau samt Wellenhallenbad, die aber am Baustopp und der bundesweiten Kreditsperre zur Dämpfung der Hochkonjunktur scheiterten. Die Speicherer Stimmberechtigten hatten die Auszonung bereits knapp bewilligt.

Auch in den 1980er-Jahren passierte bezüglich Tourismusförderung nicht grade viel, daher ging der Abwärtstrend an Gästen weiter. Der Verkehrsverein klagte immer wieder, die Anbieter, welche auch die Nutzniesser wären, täten zu wenig. Speicher fiel in der kantonalen Statistik hinter Teufen auf die fünfte Stelle zurück.

1988 wurde zur Verbesserung der Situation unter Präsident Markus Waser eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem VV Trogen eingeleitet. Mit einer Intensivierung der Werbeanstrengungen und der Herausgabe eines gemeinsamen Prospekts und Veranstaltungskalenders wollte man den früheren Erfolg wiederherstellen.

1993 erfolgte dann unter dem Titel der Professionalisierung und der Konzentration der Kräfte der formelle Zusammenschluss mit Trogen. Der Rückgang der Tourismuszahlen war aber nicht mehr aufzuhalten. Mittlerweile hatten die Gemeinden und andere Vereine etliche Aufgaben des VV übernommen.

Am 24. Oktober 1994 ging weltweit erstmals Internet-Werbung im Banner-Format online. Diese Art Werbung kostete anfangs sehr viel. Mit der Verbreitung des Internets und der entsprechenden Programme wandelte sie die Werbung für die Hotellerie und Gewerbe. Heute googelt und bucht man Übernachtungen online. Dies war mitunter auch mit ein Grund, warum man sich nicht mehr auf Verkehrsvereine abstützen wollte.

Das Ende des Verkehrsvereins[Bearbeiten]

Das Ende für den dorfübergreifenden Verein wurde im Februar 2009 in der Krone besiegelt. An der letzten GV waren auch die beiden Gemeindepräsidenten von Trogen und Speicher anwesend. Je zur Hälfte ging das Vereinsvermögen an die beiden Gemeinden.

Quelle: Hanspeter Strebel, "Speicher - Der Weg zum Heute", Protokollbuch VV 1919-1942
Text: Paul Hollenstein
Bildmaterial: Emil Studerus und weitere Quellen
Speicher 2023