Sandsteingeschichten
Sandsteine im Goldachtobel
Gesteine erzählen Geschichten
Der nachfolgende Text - hier mit einigen Ergänzungen - erschien im Heft „Obacht Kultur“ des Amtes für Kultur Appenzell Ausserrhoden, Nr. 49 2024/2. Das Heft unter dem Titel „Bachab“ beleuchtet historische, geographische, wirtschaftliche und künstlerische Aspekte entlang der Goldach.
Die charaktervolle Landschaft und die von Häuserzeilen begleiteten Dorfstrassen von Appenzell Ausserrhoden sind auch geprägt von Gestein, speziell von Sandstein. Steil abfallende Waldborde und mosig überwachsene Geländesenken lassen ehemalige Sandsteinbrüche erahnen, meist wurde der Stein aufgrund der eingeschränkten Transportmöglichkeiten direkt neben der eigentlichen Baustelle abgebaut. Für den ersten Kirchenbau in Speicher im Jahre 1614 merkt die Rechsteinerchronik (Seite 153) zu Hauptmann Ully Krüsi an: „…in seinem guth die quader Stein zur Kirchen gebrochen worden ohne zweifel im Töbeli.“ Der ehemalige Sandsteinbruch südlich der Oberachbrücke diente dem Brückenbau bei Zweibruggen als Rohstofflieferant.
Geschichte der Entstehung
Das Goldachtobel liegt im Molassebecken, in Gesteinsmaterial der „Unteren Süsswassermolasse“, das bei der Bildung der Alpen vor rund 30 Mio. Jahren abgetragen und auf viel älteren Gesteinsschichten nach und nach bei gleichzeitiger Absenkung bis zu einer Mächtigkeit bis zu 3000 Metern abgelagert wurde. Die Gletscher der frühen Eiszeiten formten in groben Zügen das Tal, in der letzten Eiszeit entstand das heutige feingliedrige Landschaftsrelief mit Seitentälern, Moränenhügeln, Abflussrinnen. Auch Ackerflüche - Findlinge im Wiesland – und Höllkessel – Gletschertöpfe im Bachlauf – sind Zeugen dieser Zeit.
Letztere regten die Fantasie der Menschen an, indem am Goldachlauf Flurnamen entstanden wie Tröligonten, Klusgonten etc. Siehe auch: Chastenloch von Gletschern geprägt
Sandstein zeigt auch auf andere Weise Geschichten seiner Entstehung: Versteinerungen von Pflanzen, Pflanzenresten, auch Tieren geben Auskunft über klimatische Bedingungen zur Zeit der Ablagerung der Sedimente. An mehreren Stellen finden sich dünne Schichten von Braunkohle, allerdings von minderwertiger Qualität. Schwefelquellen, von denen viele versiegt sind, sind auch auf die Entstehungsgeschichte des Sandsteins zurückzuführen. Im Bädli Trogen wurde während Jahrhunderten ein Kurhaus mit Schwefelbädern betrieben. Gabriel Rüsch schreibt: „Die Badeanstalt … besteht aus einem hölzernen Wohnhause mit einem neuen Quergebäude, welches zu einem Tanzsaale, zu Schlafzimmern … bestimmt ist. … In der nahen Badehütte finden sich fünf und fünfzig Wannen …“ Rüsch erklärt, dass die Heilquelle aus verschiedenen Adern des Mergelsandsteins, welchen schwefelhaltige Steinkohlenlager durchziehen, entspringt. Die Ergiebigkeit betrage etwa 75 Liter pro Stunde. Zur Quelle oberhalb vom Kastenloch schreibt er: „Im Mai, wo das Wasser gewöhnlich am stärksten ist, wird es von den Bewohnern der Umgegend, seit urdenklichen Zeiten, begierig getrunken, weil es gesund sei. Am frühen Morgen und des Abends vereinigen sich dabei oft 40 bis 50 Personen um zu trinken und Flaschen zu füllen, …“
Geschichte unaufhörlicher Veränderungen
Die steil abfallenden Ränder des Goldachtobels begünstigen seit je her Rutschungen, zumal die Gesteinsschichten eine ideale Gleitfläche für das darüber liegende Lockermaterial bilden. Starke Regenfälle mit der hoch gehenden Goldach lösen solche Hangrutsche aus. Sie verändern auch heute noch die Landschaft im Goldachtobel stetig und nachhaltig.
Bartholome Tanner erwähnt in seiner Chronik Hochwasser um 1673, 1700, 1752 etc., Hangrutsche mit Gebäudeschäden um 1779, 1789, 1792 (Zerstörung aller Goldachmühlen), 1847 und 1848.
Die jüngsten Ereignisse mit teils deutlich sichtbaren Änderungen des Landschaftsbildes datieren von 2002 und 2008. Das Goldachtobel wird auch weiterhin Veränderungen unterworfen bleiben.
Geschichten der Nutzung
Die Sandsteine der Unteren Süsswassermolasse werden im Goldachtobel dort sichtbar, wo sie frei von Moränenschutt und Vegetation sind, also an Steillagen. Dort war es früher üblich, Sandstein abzubauen. Verschiedentlich lassen sich, vor allem im Wald und an steileren Lagen, Überreste solcher Abbaustellen erkennen.
Je härter und feiner, desto wertvoller
Die Qualität der Sandsteine ist unterschiedlich. Vereinfacht gesagt ist der Sandstein umso härter, je feiner seine Körnung und je kompakter er ist. Das heisst für die Entstehung: Je weiter weg vom Ufer des Urmeeres, resp. von der Mündung des Urflusses und je mehr das Geschiebe gemahlen, desto feinkörniger der Sand und je höher die Sandschicht überdeckt ist, desto kompakter ist sie. Zudem ist Sandstein der Meeresmolasse feinkörniger als solcher aus der Süsswassermolasse (Flussablagerungen).
Als Faustregel für die Qualität des Sandsteins an den nördlichen Hängen Ausserrhodens gilt: Je nordöstlicher und tiefer, desto härter. Schon Johann Georg Schläpfer erwähnt, dass die Sandsteinschichten von der Egg in Teufen über Horst, Vögelinsegg und Kaien bis Wienacht immer feiner und härter werden. Er nennt Steinbrüche von „dichtem, blauem und grauem Sandstein“ unter anderen im Sägli und bei der Spinnerei in Trogen.
Weicher Sandstein fand für den Innenausbau oder Ofenbau Verwendung, harter bei mechanisch beanspruchten oder der Witterung ausgesetzten Bauteilen. Noch heute gilt es bei Sanierungsarbeiten darauf zu achten, dass für Tür- und Fenstergewände, die Sockelsanierung oder die Bodenplatten im Gewölbekeller der geeignete Sandstein verwendet wird.
Sandstein wurde ursprünglich von Hand mit dem „Zweispitz“ gebrochen und mit Hammer und Meissel entlang den Schichten in Blöcke und Platten gespalten. Später wurden immer leistungsfähigere Maschinen eingesetzt.
Abbau früher und heute (6 Bilder)
Die Bildreihe zeigt den Sandsteinabbau früher und heute. Hauptsächlich sind es Aufnahmen aus dem Steinbruch der Bärlocher AG im Sandsteinbruch Kreienwald oberhalb Thal SG.
Sandstein als Baustein in Speicher
Die traditionelle Bauweise im Appenzellerland stützt sich auf die Baustoffe Holz und Stein. Bollen- und Bruchsteine dienten für die Erstellung gemauerter Gebäudesockel mit gequaderter Sandsteinrahmung oder aus massiven Sandsteinquadern bei herrschaftlichen oder öffentlichen Bauten (Rathäuser, Kirchen …). Letztere weisen auch Tür- und oft auch Fenstergewände in hochwertigem Sandstein auf. Weitgehend in Holzbauweise errichtete Bürger- und Bauernhäuser weisen als sichtbares Zeichen von Wohlstand Türpartien, seltener Sockel in Sandstein auf. Weitere Verwendungszwecke: Kellergewölbe, Treppenstufen, Bodenplatten. Es kommt auch vor, dass Sandstein minderer Qualität übermalt wurde, um die Verwitterung zu verlangsamen.
Für ältere Bauten wurde Sandstein möglichst nahe beim zu errichtenden Gebäude gebrochen. So stammt der Sandstein für die erste Kirche von Speicher u.a. aus dem Töbeli, der Sandstein für die erste steinerne Strassenbrücke im Sägli wurde gleich nebenan gebrochen. Spuren ehemaliger Sandsteinbrüche finden sich vielerorts in dorfnahen Wäldern.
Beispiele von Häusern mit bemerkenswerten Bauteilen in Sandstein
Portal Detail, Haus zur Blume
Fenstergewände Herbrigsteig 1
Portal Herbrigsteig 1
Detail Portalbogen, Unteres Kaufhaus
Portal Fabrikantenhaus, Reutenenstrasse 2
Portal Fabrikantenhaus, Reutenenstrasse 4
Portal Fabrikantenhaus, Reutenenstrasse 6
Fenstergewände in Sockel, Reutenenstrasse 8
Portal Fabrikantenhaus zum Anker, Reutenenstrasse 8
Portal Detail Fabrikantenhaus zum Anker, Reutenenstrasse 8
Zuberbühlerhaus mit Sandsteinsockel und wuchtigem Portal
Text: Peter Abegglen, 2024
Quellen
Oskar Keller, Alpen-Rhein-Bodensee; Appenzeller Verlag, 2013
Bartholome Tanner, Speicher im Kanton Appenzell. … Beschreibung der Gemeinde …; 1860
Gabriel Rüsch, Bade- und Trinkcuren … ...; Abraham Keller’sche Buchhandlung, Ebnat, 1826; S. 183 ff
Johann Georg Schläpfer; Topographie und Geschichte des Kantons Appenzell; Trogen 1829, S. 55ff
wikispeicher.ch; Schlagworte: Kastenloch, Molasse, Nashorn von Bendlehn, Unwetter 2002