Ruppenbahntunnel

Aus WikiSpeicher

Der Ruppenbahn-Tunnel, als Teil der Ostalpenbahn

Schon bald nach dem Aufkommen der Eisenbahn stellte sich die "Alpenbahnfrage": Welches war die ideale Transitlinie durch die Schweiz, von Norden nach Süden, resp. von Osten nach Westen. Es kam zu einem verbissenen Tauziehen zwischen verschiedenen Regionen und Interessengruppen, denn dort wo die Verkehrsströme durchgeführt wurden, prägte es deren wirtschaftliche Entwicklung. Von den unzähligen Projekten wurde im 19. Jahrhundert nur die Gotthardbahn realisiert.

Debatte zur Ruppenbahn

Professor Oesch, vermutlich Johann Ignaz Oesch, Pfarrer und Kantonsschullehrer in Bad Ragaz (*1835 - †1920), brachte Mitte des 19. Jahrhunderts seine verkehrspolitische Vision einer Eisenbahnlinie «Konstantinopel-Wien-Feldkirch-Altstätten-St.Gallen-Paris-London» aufs Tapet.
Der Altstätter Grossrat, Nationalrat und Präsident des Verkehrsvereins, Jakob Biroll (*1854 - †1939), nahm 1906 Oeschs Vision als Anlass für seine Schrift «Eine neue Bahn auf den Plan».

Berechnungen Biroll

Er stiess damit eine Debatte zum Bau der Ruppenbahn an.
’’Die Ruppenbahn ist das vernünftigste aller Eisenbahnprojekte, die seit 30 Jahren in der Ostschweiz aufgetaucht sind.’’
Diese Aussage stammt von Otto Sand, damaliger Generaldirektor der SBB und Leiter des Baudepartements.

Das Projekt Birolls

geplante Streckenführung

Mit der Idee einer Ruppenbahn war Speicherschwendi erneut in den Fokus gerückt, zumal die erste Planungsvariante für die Realisierung der Trogenerbahn über das Goldachtal und Speicherschwendi nach Speicher und Trogen geführt hätte.

Biroll schrieb über die Trasse seiner Projektidee: ‘’Die projektierte Bahn beginnt beim Bahnhof St. Gallen, benützt bis St Fiden das Bundesbahngeleise, biegt dann aus zur Goldach-Schlucht, in welcher, an möglichst günstiger Stelle, für das appenzellische Vorder- und Mittelland eine Station angebracht wird, unterfährt den Ruppen, berührt Altstätten im Nordwesten, mündet im Kirlen daselbst in die Bundesbahnen ein, benützt deren Geleise bis Oberriet und biegt dann hinüber zur Arlbergstation Feldkirch.’’

Bei der anfänglichen Planungsidee standen fünf verschiedene Bahnhofsvarianten zur Auswahl, mit denen das Projektteam die Erschliessung des Appenzeller Mittellandes und der nahen St. Galler Gemeinden optimieren wollte. Um eine Station im Goldachtobel realisieren zu können, müsse die Goldach auf ungefähr 300m überwölbt werden. Der Entscheid über die Stationsanlage würde eventuell ein heisses Gefecht verursachen, schreibt Biroll in seiner Schrift.

Unter den fünf Varianten war auch Speicherschwendi mit der Aachmüli (Unteraach/Achwies) aufgeführt, nebst Zweibruggen und Säglibach/Kressau. Dadurch entstanden auch für den geplanten Tunnel diverse Varianten, welche zwischen 6 und 9km Tunnellänge und somit unterschiedliche Steigungen der Bahnstrecke aufweisen würden. Ja selbst ein Kehrtunnel wurde thematisiert.

Fahrzeitberechnungen zeigten auf, dass die Fahrzeit von St.Gallen nach Altstätten über die neu zu realisierende Linie 25 Minuten dauern würde, im Gegensatz zur bestehenden Linie über Rorschach und St. Margrethen, welche 65 Minuten dauert, und damit mehr als doppelt so viel Zeit benötigt. Nach Altstätten würde die Linie zwischen Oberriet und Rüthi das Rheintal überqueren und bei Feldkirch an die bestehende Rheintalbahn der OEBB angedockt.

Streckenführung 1883

Dieser sogenannte «Mittelanschluss» im Oberrheintal war bereits 1865 staatsvertraglich vereinbart worden. Ingenieur Carl Vogt aus St.Gallen erstellte umfangreiche technische Projektunterlagen für die neue Ruppenbahn. Die grobe Kostenberechnung aus dem Jahre 1906 ergab Investitionen von Fr. 12,3 Mio. Franken für die Gesamtstrecke St. Gallen – Feldkirch.
Der Erste Weltkrieg beendete vorerst diesen Eisenbahntraum, denn in einer Zeit der Not und Ungewissheit konnte die Ruppenbahn kein Thema sein.

Wiederbelebung des Projektes

Politiker Biroll und Ingenieur Vogt gaben indes nicht auf. Die Ruppenbahn kam im Laufe der «Goldenen Zwanzigerjahre» unter dem Namen Ruppen-Rhein-Bahn (R.R.B.) nochmals ins Gespräch. Die Stadt St.Gallen sah sich zu jener Zeit mit einer vom Niedergang der Textilindustrie ausgelösten wirtschaftlichen Ungewissheit konfrontiert und begrüsste diese Idee.

R.R.B. Berechnungen
Nebelspalter 1928

Eigentlicher Auslöser für das Wiederaufleben der Bestrebungen für die Ruppenbahn war vermutlich die sogenannte «Rhein-Not», ausgelöst durch einen Dammbruch des Rheins bei Schaan im September 1927, als das Wasser das Unterland des Fürstentums Liechtenstein überflutete. Der lange andauernde Streckenunterbruch zwischen Schaan und Buchs hatte zur Folge, dass der Arlbergverkehr über St.Margrethen - Rorschach und teilweise über St.Gallen geleitet werden musste. In St. Gallen nahm man die Vorteile dieser Verkehrsführung gerne an. Dort bildete sich 1928 ein Initiativkomitee zur Förderung der Ruppen-Rhein-Bahn-Idee. Das Projekt fand jedoch wegen der verkehrspolitischen Interessen der Regionen Rorschach-Unterrheintal und Werdenberg-Sarganserland eine erbitterte Gegnerschaft, obwohl die Reisezeitberechnungen klare Vorteile für eine direkte Anbindung St. Gallen – Ruppen-Tunnel – Altstätten aufzeigten.
Bei der Wiederbelebung der Ruppen-Linie legte sich das Projektteam für den Bahnhof in der Achmüli in Speicherschwendi (Unteraach/Aachwies) fest, als westliches Portal des Ruppen-Tunnels. Somit wäre Speicherschwendi also eine Art «Göschenen Ausserrhodens» geworden.

Die sich gleichzeitig abzeichnende Wirtschaftskrise entwickelte sich zu einem weiteren Hindernis für das Unterfangen. Das Projekt verschwand 1930 spurlos von der verkehrspolitischen Bühne und damit auch Speicherschwendi als Bahnstation.


Hollenstein Paul, November 2024

Quellen:
Idee: Martin Graf, Speicherschwendi
Text: Paul Hollenstein, St. Galler Tagblatt, 10.09.2018
Dokumente:

  • Ortsmuseum Altstätten, Schrift «eine neue Bahn auf den Plan» von Jakob Biroll 1906
  • Staatsarchiv St.Gallen: W 301/2.15 Verkehrsverein Altstätten, Tabelle bezüglich Abkürzungswirkungen zum Projekt Ruppenbahn (erstellt durch Jakob Biroll) 1927
  • Ruppenbahn-Projekt und Mittelanschluss nach Götzis, Werdenberger Jahrbuch 2001, Zeichnung: Anton Heer, Flawil
  • Nebelspalter 1928, Heft 16