Haus zum Sternen
Das Haus „Zum Sternen“ hat heute die Adresse Herbrigsteig 1. Bartholome Rechsteiner beschreibt das Haus in seiner Chronik von 1810 folgendermassen:
Ao. 1804 das 81te Hauß, von Johanes Rüsch, gebauen, worden ob dem alten Kaufhauß, an die Landstras, mit einem Französischen Tachstuhl, ist eines von schönsten Häuser. Stirnfarb gemahlet, und den nammen zum Sternen bekommen, mit Strahlableiter. Der boden war der unter Herberig genant (beym Thor, das da geweßen geheisen).
Baugeschichte
Das Haus wurde 1804 erbaut. Mit dem alten Kaufhaus ist das „untere Kaufhaus“ gemeint, heute Herbrigsteig 5. Die Landstrasse ist die heutige Hauptstrasse.
Die in gestemmtem Täfer errichtete Stirnseite (Südseite) war „steinfarben“ bemalt, damit erweckte man den Eindruck eines Steinbaus. Diese getäferte Frontseite wurde 1970 mit Eternitschindeln bedeckt.
Dass das Haus mit einem Blitzableiter ausgestattet war, lässt darauf schliessen, dass Bauherr Johannes Rüsch der Wissenschaft vertraute, wurde doch der erste Blitzableiter in der Schweiz erst 1787 in Winterthur gebaut.
Typisch für den damals modernen Stil ist der „französische Dachstuhl“, also ein Walmdach, ein äusseres Zeichen für Weltoffenheit des Bauherrn. An der Frontseite wurde ein Giebel mit Rundfenster angebracht, durch welches Gegenstände oder Waren mittels einer Winde in den Estrich gehoben werden konnten.
1851 wurde das Haus renoviert, später erfolgten, vor allem im Innern, immer wieder kleinere Umbauten und Installationen (Strom, Heizung, Wasser).
Die folgenden zusätzlichen Angaben finden sich u.a. bei Steinmann in „Kunstdenkmäler der Schweiz, App. Ausserrhoden Bd. II"
Bauhistorisch auffallend ist das klassizistische Portal. Der Bogen ist mit Louis-XVI-Girlanden geschmückt. Das klassizistische Geländer im Treppenhaus ist in einem dunklen Holzton gestrichen. Ein zylinderförmiger Sandsteinofen im 3. Obergeschoss fiel einer Renovation nach 1950 zum Opfer. Unter der nordöstlichen Hälfte des Hauses befindet sich ein doppelter Keller, je mit Kreuzgewölbe.
Das dritte Obergeschoss ist höher als die darunter liegenden. Seine gekehlten Gipsdecken sind mit einfachen Stukkaturen geschmückt. Es waren die Repräsentations- und Wohnräume. Im Dachstock befindet sich eine Winde mit hölzernem Zahnrad. Sie diente als Aufzug durch den Dachgiebel auf der Frontseite.
Erste Besitzer: Rüsch
Johannes Rüsch [hier bezeichnet als I.] (*1751/52, +19.1.1812) wurde im Maas geboren, nahm spätestens ab 1776 (1. Ehe mit Anna Katharina Bruderer) Wohnsitz im Brand, bevor er 1804 das Haus zum Sternen baute. Nach der Scheidung von Anna Katharina Bruderer heiratete er 1796 Anna Katharina Locher, welche 1803 verstarb. Die dritte Ehe ging er am 29.11.1805 mit Elisabeth Tribelhorn ein, im Eheregister findet sich bei ihm hier erstmals der Vermerk „bejm Sternen.“
Johannes Rüsch I. hinterliess aus erster Ehe den Sohn Johannes II. (*11.7.1777), der nach dem Tode seines Vaters aus dem Elternhaus im Brand in das Haus zum Sternen umzog. Johannes II. heiratet am 29.11.1805 Catharina Sturzenegger. Bei der Geburt von deren Sohn Johannes III. findet sich der Vermerk „bejm Sternen.“ Johannes II. gehörte 1820 zu den Gründungsmitgliedern der Sonnengesellschaft. 1822 verlegte er gemäss einem Protokoll der Sonnengesellschaft seinen Wohnsitz nach St. Gallen.
Dessen Sohn Johannes III. (*10.3.1807) heiratete Carolina Schläpfer, Tochter des Georg Leonhard Schläpfer vom Oberen Kaufhaus. Neben der Familie Rüsch-Schläpfer wohnte gleichzeitig ein Cousin mütterlicherseits von Johannes III., nämlich Johann Ulrich Rüsch mit seiner Familie im Haus zum Sternen: Johann Ulrich Rüsch war Arzt und Ratsherr ab 1832, er heiratete am 12.4.1831 Anna Barbara Rechsteiner. Johann Ulrich war ein Sohn des Senators Johann Ulrich Rüsch, Major, ab 1808 Commandant und ab 1810 Oberst.
Elisabeth Rüsch (*22.11.1818), Schwester des Johann Ulrich, heiratete Johann Conrad Altherr. Sie erwarben und bewohnten ab 1840 bis vor 1850 das Haus zum Sternen.
Besitzerwechsel: Altherr
Johann Conrad Altherr (*13.4.1817, +2.9.1876) war erfolgreicher Stickereifabrikant. Er errichtete eine Stickereifabrik (heute Fabrikgebäude Lanker AG) und 1870 ein zweites Gebäude, später Appretur (heute Druckerei Lutz), zudem erwarb er das Obere Kaufhaus.
Tapeten
Bei der Totalrenovation im Innern von 2022 zeigte sich, dass praktisch alle Räume ursprünglich - oder nach und nach - mit Tapeten geschmückt waren. Es finden sich zwei, drei, ja sogar vier Lagen von Tapeten übereinander. Im 3. Obergeschoss - im Salon - ist eine Stelle mit Zeitungen von 1870 unterfüttert, darüber liegende Tapeten sind also jünger, darunter liegende älter. Alle Tapeten sind Papiertapeten, die Muster sind Zeugen der jeweiligen Modeströmungen. Die Bordüren, es sind schmale Papierstreifen, sind sorgfältig aufgetragen. Die Tapeten sind teilweise recht grossflächig erhalten und geben einen guten Eindruck vom Interieur der damaligen Zeiten. Auffallend ist, dass viele der Tapeten in eher dunklen Farbtönen gehalten sind. Im Gegensatz zu den Tapeten im Oberen Kaufhaus sind die Tapeten im Haus zum Sternen aufgrund der Motive und Muster jüngeren Datums.
Tapetenrundgang (3 Min.)
Tapetendiashow (30 Bilder)
Totalsanierung von 2022/24
Mit der Totalsanierung wurde das Haus weitgehend in den ursprünglichen Zustand versetzt: Die äussere Gebäudehülle entspricht dabei etwa dem Bild des Baujahres 1804, im Innern musste sehr viel neu gemacht werden, dennoch konnte der Charakter aus der Bauzeit wieder hergestellt werden, ohne beim Wohnkomfort Abstriche zu machen (Heizung, sanitäre Einrichtungen, Beleuchtung, …). Die verschiedenen, am Umbau beteiligten Handwerksbetriebe haben die Restaurierungsarbeiten mit hoher Sachkenntnis und grosser Sorgfalt vorgenommen.
Aussenhülle
Nach Entfernung des Eternitschirms von 1970 auf allen vier Seiten zeigen die Fassaden wieder das Bild von 1804. An der Frontseite wurde das Täfer wieder hergestellt, ebenso sollen die restaurierten toskanischen Pilaster zusammen mit dem bemalten Täfer wie ursprünglich beabsichtigt den Eindruck eines stattlichen Steinbaus verstärken. Rück- und Seitenfronten wurden mit Holzschindeln bedeckt, diese bemalt. Der Quaderputz des Gebäudesockel wurde erneuert. Der Vorplatz an der Frontseite teils gepflästert, teils mit einem Kiesbelag neu gestaltet. Die Sandsteingewände des Portals mit ihren kannelierten Pfeilern und den Louis-XVI-Girlanden im Bogen wurden aufgefrischt.
Inneres
Das Innere des Hauses wurde den heutigen Nutzungsbedürfnissen angepasst. Das Haus dient sowohl gewerblicher Nutzung, wie auch dem Wohnen. Die Wände der Räume sind weitgehend getäfert, einige mit Tapeten ausgestattet, deren Stil demjenigen vom Anfang des 19. Jahrhunderts entspricht. Im Bad im 3. Obergeschoss konnten ursprüngliche Tapetenreste erhalten bleiben, ebenso blieb ein unbeschädigter Teil einer „Strickwand“ sichtbar. Die Gipsdecken im Erdgeschoss und in den Räumen im 3.OG wurden nach alten Vorbildern neu erstellt, die ursprünglichen Decken konnten aufgrund des schlechten Zustands nicht erhalten werden. Die gekehlten Gipsdecken, teils mit Stukkaturen (Deckenrosetten), insbesondere in allen Räumen des 3. Obergeschosses, zeigen somit wieder den ursprünglichen Zustand. Im umlaufenden Fries dieser Decken wurde eine indirekte Grundbeleuchtung eingebaut. Ein Bijou besonderer Art ist das Geländer im Treppenhaus, das nach alter Vorlage neu hergestellt wurde.
Text: Peter Abegglen, April 2022 und November 2024
Video: Peter Abegglen, April 2022
Fotos: Fredi Altherr, April 2022; Peter Abegglen, November 2024