Goldach-Eisstausee

Aus WikiSpeicher
Schweiz vor 23'000 Jahren

Die Landschaft, wie sie sich heute präsentiert ist wesentlich geprägt von den Eiszeiten, vor allem der jüngsten, der sogenannten Würmeiszeit (ca. 120'000 bis ca. 16'000 Jahre vor heute) mit dem Höchststand der Gletscher vor rund 23’000 Jahren. In dieser Zeit bedeckte der Bodensee-Rheingletscher die Gegend rund um den Bodensee bis Schaffhausen und fast bis zur Donau. Das ganze Appenzellerland lag unter der Eisdecke, es ragten nur die höchsten Erhebungen über die Eisdecke: die Alpsteingipfel und nördlich abfallend Kronberg, Hundwilerhöhe, Gäbris, Hohe Buche, Birt etc.

Anmerkung: Die Spuren von Höhlenbären im Wildkirchli gehen zurück auf 90’000 Jahre vor heute, die ersten altsteinzeitlichen menschlichen Spuren im Wildkirchli auf etwa 50’000 Jahre vor heute. Diese Zeitabschnitte gehören in frühe Interstadiale (wärmere Phasen) der Würmeiszeit.

Ausdehnen - Abschmelzen - Ausdehnen …

Eisrandlagen vor 23'000 Jahren (Höchststand Würm) bis vor ca. 19'000 Jahren.

Innerhalb der Eiszeiten gab es immer wieder Phasen, in denen Gletscher vorstiessen oder infolge Erwärmung abschmolzen und sich zurückzogen. Eiszeit heisst klimatisch (Angaben für die Würmeiszeit um 23'000 Jahre vor heute): Die Temperaturen waren in der Zeit der tiefsten Kälte im Jahresmittel bis 15°C tiefer als heute, im Sommervergleich (Rorschach) heute 18°C, damals 7°C; im Wintervergleich -1° gegenüber -20°C.

Vor 23’000 Jahren

Nach dem Höchststand vor 23’000 Jahren setzten infolge Klimaerwärmung Rückzugsphasen mit zwischenzeitlichen erneuten Vorstössen der Gletscher ein. Am Eisrand bildeten sich Schmelzwasserrinnen, die sich teils heute noch im Gelände zeigen. „Kritische“ Geländeübergänge wie der Ruppen wurden eisfrei, Gletscherzungen lösten sich vom Hauptgletscher und wurden zu lokalen Gletschern, wie der Eisrest im Goldachtal, der zum „Goldachgletscher“ wurde und später ganz verschwand.

Goldachgletschersee im Laufe der Zeit

Vor etwa 20’000 Jahren reichte der Rheingletscher noch bis nach Stein am Rhein, ein letzter Hochstand. Auch in dieser Phase blieb der Übergang Ruppen meist eisfrei, somit hatte der verbliebene Goldachgletscher keine Verbindung mehr zum Rheingletscher, der Birtgletscher keine Verbindung zum Goldachgletscher. Zwischen letzteren bestand der Goldach-Eissstausee mit einer Seespiegelhöhe zwischen anfänglich etwa 930 m.ü.M.und am Ende um 620 m.ü.M.

Das Nebelmeer veranschaulicht wie die Goldachzunge das heutige Goldachtobel füllte

Lage und Grösse des Sees, der sich am Eisrand des "Goldachgletschers", resp. der "Goldachzunge" bildete, bestimmten die Topographie des Untergrunds (Molasse) und die Höhe der Gletscheroberfläche. Die unten stehende Bildfolge - es sind alles Auszüge aus Skizzen von Oskar Keller - zeigen, wie sich die Form des Sees verändert hat. Die zeitliche Abfolge der Stadiale ist nicht regelmässig, sie kann zwischen mehreren 100 Jahren und Jahrtausenden betragen.
Die Gebiete Dorf, Wies, Flecken etc. waren nur in den frühen Phasen des Gletschersees Seegrund, Speicherschwendi war länger überbedeckt vom See.

Schmelwasserrinnen am Gletscherrand

Beim Abschmelzen der Gletscher sammelte sich Schmelzwasser. Soweit es nicht an die Gletschersohle abfloss, suchte es sich je nach Seespiegelhöhe Abflussmöglichkeiten entlang des Eiswalls. So entstanden die heute noch sichtbaren Schmelzwasserrinnen im Gelände (Almenweg, Blatten) und, weniger gut sichtbar, Aufschüttungen von Vertiefungen im Gelände. Anfänglich erfolgte der Abfluss des Goldacheisstausees auch in Richtung Teufen, bis schliesslich Gletschermächtigkeit und Seespiegel den Geländeübergang zwischen Steinegg und Blatten nicht mehr überströmen konnten. Anzunehmen ist, dass der Gletscherrandsee seinen Seespiegel maximal auf etwa 925 m.ü.M. hatte. Das heisst, dass der Kirchhügel von Speicher eine Insel im Gletschersee war.

Rheingletscher und Goldachgletscher schmolzen weiter ab. Der „Goldachsee“ wurde von Süden gespiesen von Schmelzwasser des Goldachgletschers und von Norden von Schmelzwasser des Rheingletschers. Der Eisrandwall der Goldachzunge des Rheingletschers schob dem oberirdischen Abfluss einen Riegel, weshalb das Schmelzwasser Richtung Westen gelenkt wurde, je nach Gletscherstand über höher, resp. tiefer liegende Rinnen.

Vor 20’000 Jahren

Das Wasser des Goldach-Eisstausees suchte sich topographisch bedingt seinen Weg entlang dem Eiswall in Richtung Westen. Bei allen schon bestehenden Flusstälern (Goldach, Steinach, Sitter, Urnäsch, Thur) versperrten Gletscherzungen des Rheingletschers den Abfluss nordwärts. So entstand eine Abfolge von Schmelzwasserrinnen, resp. -tälern, je nach Gletscherstand höher oder tiefer am Südrand des Gletscherwalls. Grob gesagt verlaufen diese Rinnen teils oberhalb, teils unterhalb der Hauptrinne (nach heutigen Bezeichnungen) von der Oberen Schwendi nach Hueb, Dreiweiern, über das Tal der Demut und Wattbachtobel zum Tal des Gübsensees und hinunter ins Breitfeld und von dort bis in die Gegend von Winterthur.

Die Schmelzwasserrinnen wurden je nach Fliessgeschwindigkeit, Wassermenge und mitgeführtem Schutt mehr oder weniger vertieft, wenig im Bereich Speicherschwendi, stärker im Tal in dem heute der Gübsensee liegt.
Detaillierte Ausführungen zu Ausbildung und Verlauf der Schmelzwasserrinnen im Appenzellerland finden sich im Band 95 der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft St. Gallen


Vor 18’000 Jahren - Rückzug der Gletscher

Vor 18’000 Jahren wurde das Klima deutlich wärmer und war im Sommer nur noch etwa 3° kühler als heute. Die letzten Vorlandgletscher verschwanden und auch die grossen Gletscher (Linth, Rhein) zogen sich stark zurück. Selbst nachfolgende Abkühlungsphasen liessen sie nicht wieder anwachsen.
Anschliessend konnte die Erosion der Bäche und Flüsse ihre volle Kraft entfalten und räumte die Tobel und Täler von Geröllablagerungen und Moränenschutt teilweise bis auf den felsigen Untergrund (Goldachtobel) aus.

Die 3D-Karte zeigt die topographische Gestaltung im Gebiet Speicherschwendi. Der Kartenausschnitt ist zu finden auf der Karte von Swisstopo. 1000

Relikte des Goldach-Eisstausees

Torf

Als der See existierte, bildete sich in flachen Uferzonen eine sumpfige Flachwasserzone mit torfbildender Vegetation. Das entstandene Moor trocknete nach dem Verschwinden des Sees (etwa vor 18’000 Jahren) schliesslich weitgehend aus und wurde überwachsen.

Torfabbau Wies (im Hintergrund Haus Schönenbühl)

Im Gegensatz zu Torfgebieten wie in Gonten oder im Rheintal sind Torfvorkommen in Speicher flächenmässig klein, nur wenig ergiebig und von minderer Qualität, dennoch wurde auch in Speicher Torf gestochen wie Chronisten berichten. Rechsteiner (um 1810) schreibt: „Torf, oder hier Turben graben wurde angefang. Ao. 1760 circa hier im Wießen Jb. Bruderer u. auf dem Siz wie auch im Mooß zu Bendlehn“. Das heisst: Um 1760 fing ein Jakob Bruderer in der Wies an, Torf abzubauen, ebenso wurde auf dem Sitz und im Moos zu Bendlehn, das etwa die heutigen Gebiete mit den Flurnamen Erlen und Bruggmoos umfasste, Torf gestochen.

Tanner (um 1860) schreibt: „Torf gräbt Althauptmann Eugster seit mehreren Jahren mit Nutzen auf seinem Gute in der Wies“ [Johannes Eugster *1795, Hauptmann1831-1837].

In der Wies wurde gemäss diesen Beschreibungen während mindestens 100 Jahren mehr oder weniger regelmässig Torf abgebaut, letztmals während des zweiten Weltkriegs.

Seegrundablagerungen

Ein weiteres Relikt des Goldach-Eisstausees sind Seegrundablagerungen. Sie zeigen sich im Aushub von Baugruben oder in Aufschlüssen von Bächen.

Laminierte (fein geschichtete) Seeablagerung am Kitzlerbach
Ablagerung des Seebodens, Detail mit Dropstones (aus dem Gletschereis abgesunkene Steine)


















Obere Schwendi: die einstige Uferzone des Goldachsees auf 800 m.ü.M.

midi


Rutschungen

Zumindest teilweise mit dem Eisstausee in Zusammenhang stehen Rutschgebiete, wie sie beispielsweise in der Gefahrenkarte für das Gebiet Speicherschwendi vermerkt sind: Der See überdeckte auch abgelagerten Moränenschutt der Gletscher, darauf setzten sich die (feineren) Ablagerungen des Sees ab. Je nach Hangneigung und Wassereintritt in diese Schichten können sich spontane oder kontinuierliche Rutschungen bilden.



Text:
Peter Abegglen; 2025

Quellen:
Oskar Keller; Alpen, Rhein und Bodensee - eine Landschftsgeschichte. 2013, Appenzeller Verlag, Herisau
Oskar Keller; Zur Glazialmorphologie der Region St. Gallen: Die eiszeitliche Ausgestaltung der Landschaft, Berichtband St.Gall. Natw. Ges. 82: S. 32-71
Oskar Keller und Edgar Krayss; Eiszeitliche Gewässer von der Goldach bis zur Thur, Berichtband St.Gall. Natw. Ges., Band 89, Seite 13-37
Oskar Keller: Berichtband der St. Gall. Natw. Gesellschaft, Band 95, Kapitel Eiszeitflüsse ... S. 245ff.
Swisstopo: map.geo.admin.ch