2025 - 200 Jahre seit dem ersten Sängerfest
Das Sängerfest auf Vögelinsegg vom 4. August 1825 stellt in der schweizerischen Sänger- und Chorgeschichte einen Meilenstein dar. Es war weltweit das erste vereinsmässig organisierte Sängerfest und wurde zum Prototyp aller späteren Sängerfeste. In der Literatur wird das Fest auch als „Wiege des Volksgesangs“ bezeichnet. Initiant war Pfarrer Samuel Weishaupt aus Wald, der 1819 in Wald einen Chor, den heutigen chorwald und 1824 den appenzellischen Sängerverein, den heutigen Appenzellischen Chorverband gegründet hatte. „Direktor“ des Festes war der Mitgründer des Appenzellischen Sängervereins, Johann Heinrich Tobler, unter dessen Denkmal der chorwald im ersten Konzertteil der historischen Bedeutung des Sängerfestes gedachte.
Es ist deshalb kein Zufall, dass der chorwald am frühen Sonntagabend des 11. Mai 2025 ein Festkonzert auf Vögelinsegg und in der reformierten Kirche Speicher gab. Tobler hatte eigens für das Sängerfest die „Ode an Gott“, ein Gedicht der norddeutschen Erzieherin Karoline Rudolphi vertont. Das Lied wurde zum Landsgemeindelied, das zum Abschluss des kurzen ersten Teils der Feier auf Vögelinsegg gemeinsam mit dem erfreulich zahlreich erschienenen Festpublikum gesungen wurde. Samuel Weishaupt hätte Freude gehabt, denn er „träumte von grossen Chören“, dem Motto unter das der chorwald den Anlass stellte, wie Festrednerin Heidi Eisenhut bemerkte. Sie war es auch, die mit verschiedenen Zitaten aus zeitgenössischen Publikationen auf die Bedeutung des Sängerfestes von 1825 hinwies. Singen im Chor, singen im Freien war damals eng verbunden mit der Idee von Freiheit, von Eigenständigkeit und von Selbstbestimmung, auch von Vaterlandsliebe, weshalb wohl das Singen im Verein damals noch den Männern vorbehalten blieb.
Sängerfest 1825 mit Breitenwirkung ...
Das Sängerfest von 1825 fand in zahlreichen Zeitungen, Zeitschriften und weiteren Publikationen grosse Beachtung, vor allem im deutschsprachigen Raum, der damals bis Estland reichte. Zeitungen, illustrierte Monatsblätter etc. berichteten begeistert von diesem Fest, das in den Folgejahren sowohl im Appenzellerland und Umgebung, sowie in Baden-Würtemberg und weiter entfernt viele Nachfolgeanlässe fand.
In den Berichten im Appenzellischen Monatsblatt, aber auch in den St. Galler Zeitungen wurde detailliert, teils überschwänglich davon berichtet.
Das Fest von 1825 fand auf der Wiese westlich vom damals schon bestehenden Hotel Vögelinsegg statt.
... bis heute
Im Konzert in der reformierten Kirche Speicher erinnerte der chorwald unter der Leitung von Anna Kölbener mit einer gekonnten Liedauswahl an das Verbindende und die Kraft des gemeinsamen Singens über Grenzen und Zeiten hinweg. Begleitet wurden einige Lieder von Hanna Keller am Hackbrett.
Einheimische und estnische Volkslieder, teils neu bearbeitet, bildeten die Brücken vom Gestern ins Heute, vom Appenzellerland nach Estland. Drei der Lieder in estnischer Sprache wird der chorwald auf seiner Sommerreise in Tallinn, am grossen Sänger- und Tanzfest im Chor von 30’000 Menschen mitsingen. Den Abschluss des Programms bildete die Uraufführung der Komposition zu einem estnischen Gedicht, vertont von Jürg Surber, dem langjährigen Dirigenten des chorwald.
Landsgemeindelied 1825 uraufgeführt
Das Landsgemeindelied, wie die „Ode an Gott“ mittlerweile heisst, eröffnete seit 1877 bis zu ihrer Abschaffung 1997 jede Ausserrhoder Landsgemeinde. Von Tobler wurde sie für Männerchor gesetzt, Albrecht Tunger (1926-2014) erweiterte die Komposition mit einem Satz für gemischten Chor. Im ersten Teil des Festkonzerts auf Vögelinsegg gedachten der chorwald mit dem rund 250-köpfigen „Publikums-adhoc-Chor“ der Erstaufführung der „Ode an Gott“:
Die Kraft des gemeinsamen Singens
Im zweiten Teil des Festkonzerts in der reformierten Kirche Speicher kamen Werke von Komponisten verschiedener Epochen zur Aufführung: „Lueget vo Berg und Tal“ von Ferdinand Huber in einem Arrangement von Lukas Bolt, „Nachtgesang“ von Heinrich von Herzogenberg; „Psalm 23“ von Peter Roth; „Drei Hirtenkinder aus Fàtima“ von Arvo Pärt und ebenso in estnischer Sprache „Koit“ von Mihkel Lüdig; „Gruss an das Vaterland | Kodukeel“ von Hans Georg Nägeli | Veljo Tormis; „Limu limu lima“ Trad. arr. Sofia Söderberg; „Meie“ von Jürg Surber; Hackbrettsoli und -begleitung: Hanna Keller
Quellen:
Programmheft chorwald „Mir träumte von grossen Chören“, 2025
Bilder des Sängerfestes von 1825: Aquatintaradierungen von H. J. Kull nach Zeichnungen von J. U. Fitzi, 1825; Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden